Geniale Umsetzung einer brillianten Vorlage.
Als die schrille und kratzige Stimme des rothaarigen Koboldes "Pumuckl" kennen und lieben wir ihn: Hans Clarin, als Schauspieler vorwiegend bekannt für komische Rollen. Für die Verfilmung von einer der bekanntesten Werke von Edgar Allen Poe verließ er die komödiantische Schiene, und das mit Erfolg, denn die hier dargebotene Umsetzung wird der klassischen Kurzgeschichte durchaus gerecht.
Mit seiner Charakterstudie "The tell-tale Heart" lieferte Poe eine regelrechte Pionierarbeit, denn kaum jemand anderes hatte sich zuvor getraut, die Gedankenwelt eines Psychopathen zu erforschen. Noch viele Jahre bevor Siegmund Freud überhaupt geboren war verfasste er ein detailiertes Psychogramm eines seelisch zerrütetten Mannes, der einen völlig sinnlosen Mord begeht. Ein kaum mögliches Unterfangen, doch Poe vollbrachte die Meisterleistung, die menthale Verwirrung des Täters in solch einer Intensität zu schildern, dass man sich schon beinahe mit ihm identifizieren konnte. Schon mehrmals wurde diese Geschichte verfilmt, mal mehr und mal weniger glaubhaft. Die vorliegende Umsetzung zählt jedoch eindeutig zu den besten, Hans Clarin zum Dank: Fast die gesamte Stunde, die der Film dauert, ist das Geschehen auf ihn fixiert; Seine Gedanken, sein Handeln, seine Sinneswahrnehmung. Dialoge sind fast nicht existent, Clarin fungiert sowohl als Darsteller als auch Erzähler, der im Off die Geschichte vorantreibt, meist mittels des (übersetzten) Originaltextes. All dies betreibt er in diesem Kammerspiel mit solch einer kühlen Routine, dass er schon richtig beängtigend wirkt, seiner unbekümmerten Ausstrahlung zum Trotz. Vom Anfang bis hin zum fatalistischen Ende fesselt er den Zuschauer durch sein intensives Spiel.
Statt sich nur auf eine nüchterne Aufarbeitung der Vorlage zu beschränken, nutzt der Film auch die visuelle Komponente, um die Wirkung des Stoffes zu verstärken. Natürlich nahm man sich gegenüber der Vorlage einige künstlerische Freiheiten, um beim Zuschauer eine vergleichbare Schockreaktion zu erwirken, wie es der Text damals beim Leser getan hat. Besonders die quälend-lange Albtraumsequenz des alten Mannes kann einem sehr an die Nieren gehen (Mäuse im Fleischwolf). Obwohl diese (und auch andere) Sequenz in Poes Werk so nicht vorkam, kann man hierbei nicht wirklich von reiner Effektehascherei reden, da bereits die Vorlage mitunter auch von ihrer schockierenden Wirkung lebte. Eine 1:1 Umsetzung hätte wohl ein Spannungsvakuum hinterlassen, da das heutige Publikum sicher nicht so leicht zu schockieren ist, wie es vor 150 Jahren der Fall war. Die Bilder sind in stilvollem Schwarweiß gehalten, was auch ausgesprochen gut passt, im Anbetracht des Alters der Geschichte.
Fazit: Mit einem brillierenden Hans Clarin nebst stilistisch und künstlerisch sehr anspruchsvollen Bildern präsentiert Kramberg hier eine Verfilmung, die sich wahrlich sehen lassen kann. Die Intensität der Charakterzeichnung der Vorlage wird durch den ruhigen Erzählrhythmus hervorragend wiedergegeben, und auch die Nähe zu ihr wird gewahrt. Freilich wird dieses Werk bei abgebrühten Horrorfans nur ein müdes Gähnen hervorrufen, Cineasten, Künstler und Poe-Fans werden hingegen entzückt sein. Dennoch: Die Lektüre der Geschichte sollte man sich nicht sparen, denn was ist ein Film schon im Vergleich zur eigenen Fantasie? ;-)