In einem seiner allerersten Filme, dem Kurzdokumentarfilm „Day of the Fight", begleitet Regisseur Stanley Kubrick einen jungen Boxer am Tag vor einem wichtigen Kampf - und zeigt allerhand unspektakuläre Alltäglichkeiten: einen Spaziergang mit dessen Zwillingsbruder, gemeinsames Essen, Spielen mit dem Hund und vor allem: warten.
So uninteressant diese „Storyline" klingt, so formal stark ist sie bereits inszeniert. In simplen, klaren Bildern, von einer ruhigen Kamera eingefangen und von einem abgeklärt wirkenden Sprecher aus dem Off kommentiert, gibt der zwölfminütige Kurzfilm einen flüchtigen und doch eindringlichen Einblick in den Alltag eines Berufsboxers auf dem Weg nach oben. In wenigen Sätzen wird der emotionale Druck der gespannten Erwartung verdeutlicht - die simple Tatsache, dass auf dem Weg zum Weltmeisterschaftstitel kein Kampf verloren werden darf, macht das Ereignis des Kampfes an sich zum spannenden Höhepunkt, auf den sehr schnell nicht nur der Boxer, sondern auch der Zuschauer hinfiebert. Die Gefährlichkeit des Berufs wird dabei ebenso nebenbei wie elegant vor Augen geführt, wenn der Besuch eines Morgengottesdienstes mit den Worten erläutert wird, die heilige Kommunion sei für ihn wichtig, falls bei dem Kampf „irgendetwas schief geht".
Durch diese äußerst knapp eingeführte Hintergrundgeschichte erhalten die an sich unspektakulären Bilder vom wartenden, essenden, spielenden, redenden Boxer eine intensive Note, die sich bis zum Beginn des Kampfes steigert. Und so simpel die Bilder diesen äußerlich kaum erwähnenswerten Alltag einfangen, so komplex wird die Kamera urplötzlich, sobald der Kampf beginnt - eine höhere Schnittfrequenz, mehr Bewegungen und einige überraschende Einstellungen, etwa vom Boden zwischen den Kämpfenden aus, geben einen leichten Vorgeschmack auf das, was spätere Filme wie etwa „Raging Bull" aus dem Boxsport machen sollten. Dieser Kampf, an und für sich ebenso alltäglich wie das zuvor Gezeigte, wird zum erstaunlich spannenden und packenden Höhepunkt dieses dramaturgisch überaus geschickt aufgebauten Kurzfilms.
Ein Element, das die betulichen Bilder effektiv beschleunigt, ist der starke Score, der so uninteressante Einstellungen wie ein die Straße hinunter laufenden Brüderpaar mit einem irritierend heftigen Spannungssound untermalt und ein Stück weit konterkariert. So wird hier absolut bewusst die Bildebene durch die Tonebene - Score und Erzähler - mit Emotionen und Erwartungen aufgeladen, die aus den reinen Bildern niemals herauszuholen gewesen wären. Schon hier zeigt sich also eine durch und durch kalkulierte Manipulation des Zuschauers mit filmischen Mitteln, die vom grundlegenden Talent des Regisseurs zeugt.
Auch wenn man „Day of the Fight" eher als Fingerübung des noch unbekannten Kubrick betrachten sollte, zeigt schon dieses kleine Werk die schlummernde filmische Gewalt des Künstlers. Innerhalb weniger Minuten einen beliebigen Boxer zum dermaßen intensiven Identifikationsobjekt zu machen und einer so unspektakulären Geschichte so viel Emotion und Druck zu verleihen, ist definitiv eine starke Leistung. So kann man hier auch ein Stück weit einem Filmgenie beim Wachsen zusehen - eine faszinierende Erfahrung.