Review
von Alex Kiensch
In seinem 9-minütigen Dokumentarfilm „Flying Padre" von 1951 erzählt der junge Stanley Kubrick von einem Priester, dessen Gemeindegebiet in den Weiten der texanischen Prärie liegt und der deshalb die einsam und weit auseinander liegenden Farmen seiner Schäfchen per Flugzeug besucht. Dabei hat er nicht nur seine kirchlichen Pflichten im Blick, sondern ist zum Beispiel auch die schnellste Möglichkeit, ein krankes Baby von einer Farm zum nächsten Krankenhaus zu bringen.
Diese recht skurrile Auftragsarbeit zeigt noch nichts von dem späteren künstlerischen Genie eines der berühmtesten Regisseure in der Geschichte Hollywoods. Hier wird nur plakativ die menschenfreundliche Arbeit eines Priesters ausgestellt, der aufgrund der lokalen Bedingungen ein recht ungewöhnliches Fortbewegungsmittel wählt. Dass die am Flugzeug anmontierte Kamera einige nette Landschaftsaufnahmen einfängt, bleibt dabei so ziemlich der einzige Pluspunkt.
Aus heutiger Sicht irritiert vor allem die offensichtliche Gestelltheit der allermeisten Szenen. Da taucht ein kleines Mädchen „überraschend" beim Pfarrer auf und wird per Schuss-Gegenschuss zwischen ihr an der Haustür und ihm am Küchentisch eingeführt. Und der Notfall eines kranken Babys am Ende, das zu einem Flughafen gebracht werden muss, um von dort per Krankenwagen weitergefahren zu werden, war offensichtlich nicht zu eilig, um noch das gesamte Filmteam zur Farm und per Flugzeug mitschicken zu können. Am ehesten ist hier noch interessant, wie selbstverständlich in früheren Dekaden dokumentarische Werke sich selbst und ihre Inhalte inszenieren konnten, ohne dass es offenbar groß Anstoß erregte. Als kleiner historischer Einblick in vergangene Sehgewohnheiten ist „Flying Padre" also durchaus interessant.
Rein filmisch allerdings hat er wenig zu bieten. Natürlich macht eine derart kurze Laufzeit es auch schwer, hier dramaturgisch oder erzählerisch etwas Tiefergehendes aufzubauen. So bleibt der Film ein flüchtiger Einblick in den ungewöhnlichen Arbeitsalltag eines Pfarrers, der im ersten Moment durchaus faszinieren kann, aber innerhalb kürzester Zeit schon in der Darstellung und Betonung der Masse an notwendigen Flügen repetitiv und langatmig wird. Und wenn am Ende nach der Hilfe für das Baby ein Loblied auf unsichtbare Helden wie diesen Pfarrer angestimmt wird, der nichts weiter zum Dank wolle als die Gewissheit, helfen zu können (wie hoch wohl sein Gehalt in dieser eher ärmlichen Gegend ausfällt, bleibt natürlich ungenannt), wird es endgültig pathetisch und heuchlerisch.
Weder inhaltlich noch formal kann sich dieser Kurzbeitrag, der wohl als Vorprogramm für Kinovorführungen gedacht war, von alten Wochenschausendungen abheben. Dass ein so legendärer Name wie Kubrick hier Regie geführt hat, ist wohl am ehesten auf chronische Geldknappheit und die Möglichkeit des Nachwuchsregisseurs zurückzuführen, einen Fuß in die Tür der Filmproduktion zu bekommen. Selbst für eisenharte Kubrick-Fans wird hier aber weiß Gott nichts weiter geboten.