Freaky Friday. Ein ganz verrückter Freitag. Ein voll verrückter Freitag. Körpertauschkomödien?! Man sieht die abgebrühten Cineasten augenrollend die Nase rümpfen. Zu recht, denn dieses Subgenre wurde über die Jahre und alle Maße ausgereizt, ausgeschlachtet und hingerichtet. Dennoch funktioniert das Konzept, weil sich gerade unter Kindern und Jugendlichen immer wieder ein neu heranwachsendes Publikum findet, welches den Perspektivwechsel genießen kann. Das hat sich seit den 80ern nicht geändert. Dabei sprechen wir genauer von 1882, dem Erscheinungsjahr des Romans Vice Versa des englischen Schriftstellers Thomas Anstey Guthrie (unter dem Pseudonym F. Anstey). Diese Schrift ist quasi die Urquelle all dieser Komödien geworden und wird seit 1916 regelmässig verfilmt.
Den heutigen Exponaten lag jedoch die abgewandelte Geschichte Verrückter Freitag von Mary Rodgers zugrunde, welche 1972 erstmals in Buchform erschienen ist. Inzwischen dreimal hat Disney diese Vorlage umsetzen lassen. Nach einer Fernsehfassung in den 90ern (dt. Annabelles größter Wunsch) feierte man zuletzt unter dem deutschen Titel Freaky Friday – Ein voll verrückter Freitag 2003 einen Erfolg mit Jamie Lee Curtis und Lindsay Lohan. Für letztere bedeutete dies den endgültigen Durchbruch.
Die erste Verfilmung Ein ganz verrückter Freitag entstand unter der Regie von Gary Nelson, der später für Disney auch Das schwarze Loch umsetzen sollte. Für das Drehbuch verpflichtete man einfach Mary Rodgers selbst. Neben Barbara Harris schillert vor allem die junge Jodie Foster aus dem Cast hervor, die noch mehr brannte als Lindsey Lohan in ihrer Position. Allein in dieser Zeit erschienen neben Ein ganz verrückter Freitag noch Echos eines Sommers, Bugsy Malone, Das Mädchen am Ende der Straße und Taxi Driver. Lindsay Lohen legte ihrem Auftritt in ähnlichem Tempo Bekenntnisse einer Highschool Diva und Girls Club – Vorsicht bissig! nach. Obschon in der Ausprägung nicht identisch ist es den beiden Schauspielerinnen doch eine Gemeinsamkeit, daß die Karriere in der Folgezeit Turbulenzen ausgesetzt war.
Der Plot selbst ist die unspektakuläre Kongruenz in diesem Vergleich. Es kommt zum Körpertausch von Mutter und Tochter. Beide durchleben Sorgen und Nöte des anderen und entwickeln ein Verständnis für die jeweilige Situation. Weitere lehrreiche Einblicke gelingen in die Gedankenwelt anderer Personen, welche sich natürlich anders verhalten und andere Sichtweisen preisgeben. Lohnenswert erscheint es jedoch, Ein ganz verrückter Freitag einmal von einem modernen Standpunkt aus zu betrachten. Die Neuauflage Freaky Friday – Ein voll verrückter Freitag bildet dabei einen hervorragenden Ausgangspunkt, da sich die Rollenbilder unmittelbar gegenüber stellen lassen.
Knapp 30 Jahre trennen die Vehikel von Jodie Foster und Lindsay Lohan. Die Ansätze unterscheiden sich offensichtlich zunächst dadurch, daß Lindsays Anna ein weiter entwickeltes Mädchen darstellt, während Jodies Annabell als 13-Jährige einen burschikosen Auftritt hinlegt. Auch die Rolle der Mutter ist nicht zu unterschätzen. Schließlich könnte sich der Alltag dieser beiden Figuren kaum mehr voneinander unterscheiden. Da die Darstellungen beide nicht idealisiert werden, sondern mit den Problemen ihres Habitus zu kämpfen haben, läßt sich schwerlich von einer rein emanzipatorischen Entwicklung sprechen.
Entscheidend für den Umfang der Erzählung sind sie, die Lebensinhalte dieser Frauen und Mädchen. Während sowohl Jamie Lee Curtis als auch Barbara Harris mit sichtlicher Spielfreude manch Albernheit gewogen sind, so hat man im originalen Ein ganz verrückter Freitag noch nicht mit der Arbeitswelt einer erfolgreichen Frau zu tun. Obschon kritisch betrachtet besteht der Alltag für die Mutter im 1976er Film noch ganz aus den Aufgaben einer Hausfrau. Ein bestimmender Ernährer und Ehemann (John Astin) nebst Haushaltsunglücken legen die Inhalte auf Slapstickelemente fest. Unbeholfene Schminkversuche und die erotische Bewunderung durch den kränklichen Nachbarsjungen Boris (Marc McClure) mischen sich mit skurrilen, sportlichen Glanzleistungen mit dem Sohn Ben (Sparky Marcus).
Sport ist auch der wesentliche Tagesinhalt Annabells, die in bester Tomboy-Manier Star des Hockeyteams ist und auf Gutheißen des Vaters dessen Geschäftspartner mit ihren Wasserski-Künsten beeindrucken soll. Von Körperhygiene hält sie wenig. Die Bewunderung von Nachbarjunge Boris scheiterte an der Zahnspange. Während Annabells Freundinnen die erwachsene Sprache als Spiel hinnehmen, wird der Schulalltag zur Hölle. In den Lehrfächern glänzt Annabell untypischerweise, während sie in aller Praxis, von Sport, Band, Photolabor bis Schreibmaschinenkurs das totale Chaos verursacht.
Ist es im 2003er Freaky Friday – Ein voll verrückter Freitag eher die Tochter im Körper der Mutter, welche das Erscheinungsbild nachhaltig modifiziert, so gönnt die Mutter ihrer Tochter im 1976er Ein ganz verrückter Freitag einen Schritt hin zur Weiblichkeit. Oder ihrer Vorstellung davon. Unglücklicherweise bittet sie ihren Mann/Vater ausgerechnet dann um eine Kreditkartenvollmacht, nachdem sie herausgefunden hat, daß dieser einen recht steilen Zahn als Sekräterin beschäftigt, von dem sie gar nichts wusste.
Die auf das Herausnehmen der Zahnspange folgende Einkaufstour nebst Beautykur und Friseurbesuch entspricht doch zu sehr einem heute überholten Klischee. Umso deutlicher wird dem erwachsenen Zuschauer hierbei die Zwickmühle, aus welcher sich die Mutter des 2003er Films, sich auf dem Weg zu einer Heirat mit ihrem neuen Verlobten Ryan (Mark Harmon) befindend, längst befreit hätte.
Während man in der aktuellen Verfilmung einen großen Bogen über einen Glückskekszauber spannen mußte, regiert in Ein ganz verrückter Freitag die Einfachheit, welche nicht zwangsläufig als Einfältigkeit umgedeutet werden muß. Der Körpertausch findet spontan und schnörkellos aus der Situation heraus statt, als Mutter und Tochter den Wunsch äußern.
Desweiteren ist es ein beachtlicher Kontrast, wie in das so leichte Konzept schwerwiegend nachdenkliche Töne eingeflochten werden können. Ein ganz verrückter Freitag verfällt immer mehr in situationskomische Steigerungen, was unter anderem eine zeitgenössisch beliebte Autoverfolgungsjagd sowie eine rasante Wasserski-Actioneinlage mit überzogenen Pointen beinhaltet. Dennoch lassen sich hieraus umrahmt von Gesprächen tatsächlich Entwicklungen ableiten, die in einigen Punkten nahezu schwerwiegender interpretierbar sind als bei den Neuauflagen.
Während der 70er Film Ein ganz verrückter Freitag seinen eigenen Rhythmus hatte, so muß man neidlos anerkennen wie verdichtet und rasant Regisseur Mark Waters das von Heather Hach und Leslie Dixon verfasste Drehbuch zur Neuverfilmung Freaky Friday – Ein voll verrückter Freitag umsetzt. Lindsay Lohans musikalische Ambitionen prägen den Film insofern, daß sie selbst einen Song zum Soundtrack beisteuert, der im Gegensatz zur ersten Verfilmung eine große Rolle spielt. Die Figur Anna ist als strebsame Garagenmusikerin ausgelegt, die vermutlich sehr bewußt dem Teenstar Avril Lavigne nachempfunden wurde, die seinerzeit gerade ihren ersten Platinerfolg feiern konnte.
Ein kluger Schachzug war die Besetzung der Mutter durch Jamie Lee Curtis, welche durch ihre Komödienerfahrung ein rasiermesserscharfes Timing an den Tag legt. Als erfolgreiche Psychiaterin mit mehreren Mobiltelefonen sorgt sie für die notwendige Geschwindigkeit. Wenn sie besessen vom Geist ihrer Tochter Patienten betreuen, ihr neues Buch im Fernsehen bewerben oder die nahende Hochzeit vorbereiten soll, kommt derart Schwung auf, daß der Zuschauer über das Haltbarkeitsdatum oder das Niveau der in winzigen Details nicht immer ganz perfekten Pointen nobel hinwegsieht. Eingestreute Ironisierungen und stärkere Nebenfiguren machen den aktuelleren Freaky Friday – Ein voll verrückter Freitag zumindest zum weniger gesetzten Film.
Letztlich ist beiden das bewährte “Ente gut – alles gut” Rezept der Disneyfilme zu eigen. Von recht flotter Unterhaltung kann man beidenfalls sprechen, sofern man bereit ist, seine Augen von der Unmutsbekundung über das Sujet doch wieder richtung Leinwand zu rollen. Es bleibt Geschmackssache, ob man angesichts der kontemporären Faktoren nun die ursprüngliche oder die aktuelle Fassung bevorzugt, oder einfach beide aufgrund der unterschiedlichen Qualitäten. Allein die Tatsache, daß eine in jugendliche Albernheit verfallene Barbara Harris in manchen Szenen schon fast wirkt wie Lindsay Lohan in Freaky Friday – Ein voll verrückter Freitag unterstreicht, daß die Ergebnisse unterschiedlich genug ausfallen, um die Existenz beider Filme zu berechtigen. Es verhält sich ein wenig wie bei den Verfilmungen zu Die Vorstadtkrokodile von 1977 und 2009, wo in der neueren Versionen Rollenbilder und Klischees einer zeitgenössischen Frischzellenkur unterzogen wurden. Dies erscheint angesichts der Tatsache, daß man den Film Kindern zeigt, welche den Kontext der alten Version nicht zwingend herstellen, durchaus sinnvoll.
Die Konsequenz aus allen verwendeten Beziehungen und Klischees der Freaky Friday Geschichten schließlich läßt sich insofern verarbeiten, daß es in allen Variationen Hindernisse geben wird. In diesem Sinne ist es nicht nur das entgegen gebrachte Verständnis, sondern vor allem die Entscheidungsfreiheit, die dem alltäglichen Glück zuarbeitet. Hierbei könnte Lindsay Lohans Figur Anna die Gewinnerin sein, was der Gesichtsausdruck beim abschließenden Auftritt mit ihrer Band vermuten läßt.