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Horror mit Freizeichen: Warum The Black Phone nie durchkommt

In der Theorie klingt „The Black Phone“ nach einem sicheren Griff ins Dunkel: Ein Kind, ein Keller, ein maskierter Entführer, ein mysteriöses schwarzes Telefon, das Tote sprechen lässt. Die Zutaten für einen kleinen, effektiven Horrorfilm sind da – und mit Scott Derrickson sitzt sogar ein erfahrener Regisseur am Apparat, der mit Sinister vor gut zehn Jahren bewiesen hat, dass er weiß, wie man Albträume orchestriert. Produziert hat natürlich Blumhouse, das Studio, das den modernen Horror so sehr geprägt hat wie kaum ein anderes: mal mit Biss (Get Out, The Invisible Man), mal mit Beißhemmung (Truth or Dare, Fantasy Island). „The Black Phone“ ist leider ein Paradebeispiel für die Mittelmäßigkeit, die in diesem Genre so erschreckend häufig spukt.

Der Film basiert auf einer Kurzgeschichte von Joe Hill – dem Sohn des unnachahmlichen Stephen King – und das merkt man auch: Die DNA des Vaters schimmert durch, aber der Genpool scheint verwässert. Wo King Welten voller Albtraumpoesie und psychologischer Tiefe schafft, bleibt Hills Vorlage – und damit auch Derricksons Film – seltsam flach. Statt subtiler Angst und psychologischer Tiefe bekommen wir hier ein Horrorstück, das so zahm ist, dass man fast meinen könnte, es wäre von Netflix’ Jugendabteilung abgesegnet worden. „The Black Phone“ will ein düsteres Coming-of-Age-Märchen sein, das Trauma, Angst und Übernatürliches verwebt – herausgekommen ist jedoch ein erstaunlich zahmes, spannungsarmes Kammerspiel, das so viel Biss hat wie ein zahnloser Clown.

Denver, späte 1970er Jahre: Kinder verschwinden spurlos, ein mysteriöser Entführer, der „Greifer“ (Ethan Hawke), treibt sein Unwesen, und der junge Finney (Mason Thames) landet schließlich selbst in dessen düsterem Kellerverlies. Dort entdeckt er ein schwarzes Telefon – ein Relikt aus vergangenen Zeiten, das plötzlich klingelt. Die Stimmen am anderen Ende? Die Geister der früheren Opfer des Greifers, die Finney helfen wollen, zu entkommen.

Klingt auf dem Papier nach einem knackigen, atmosphärischen Thriller – in der Realität plätschert das Ganze dahin wie ein lauwarmes Bad in nostalgischer Genre-Suppe. Die Handlung hangelt sich brav von A nach B, ohne je Spannung oder echte Verzweiflung aufzubauen. Finney ist zwar gefangen, aber nie wirklich in Gefahr. Der Entführer kommt, steht ein bisschen rum, murmelt etwas über „unartige Jungs“ – und verschwindet wieder. Kein psychologisches Spiel, keine Eskalation, keine Intensität. Die Telefonate mit den Geisterkindern sind brav inszeniert, ohne jene metaphysische Gänsehaut, die sie haben könnten, und das große Finale verpufft, bevor man überhaupt merkt, dass es schon vorbei ist. Man spürt, dass Joe Hill hier das King’sche Erbe antreten wollte: die Kombination aus Coming-of-Age-Drama, Kindheitsängsten und übernatürlichem Grauen. Doch während King uns in „Es“ oder „Stand by Me“ emotional zerlegt, lässt „The Black Phone“ uns seltsam unbeteiligt zurück. Die Bedrohung bleibt Behauptung, kein Gefühl.

Ein Ruf ins Leere

Das Drehbuch – ebenfalls von Derrickson und seinem Stammkollaborateur C. Robert Cargill – stolpert über die eigenen Ambitionen. Es will gruselig sein, ist aber zu brav; es will emotional berühren, bleibt aber oberflächlich. Zwischen Telefonklingeln und Rückblenden gibt es kaum erzählerische Höhepunkte. Der Plot wirkt, als hätte jemand vergessen, das Spannungsthermostat einzuschalten: Alles läuft auf Sparflamme. Die kurzen Schockmomente? Eher unfreiwillig komisch als effektiv. Ein paar spukende Kindergeister, die kurz ins Bild springen, ein paar schrille Soundeffekte – aber nichts davon hat echtes Gewicht.

Optisch ist „The Black Phone“ jedoch ansprechend: Die erdige Farbpalette, die alten Tapeten, das fahle Licht – all das fängt die späten 70er glaubhaft ein. Derrickson und Kameramann Brett Jutkiewicz geben dem Film ein authentisches Retro-Gefühl – ein Hauch von Nostalgie, ein Spritzer Melancholie, ein bisschen Stranger Things-Vibe, nur ohne dessen Esprit. Doch so schön es aussieht, so leer bleibt es. Die Kamera findet nie die beklemmende Nähe, die man in einem Film über ein eingesperrtes Kind erwarten würde. Stattdessen beobachtet sie distanziert, fast dokumentarisch, was geschieht – oder eben nicht geschieht. Es gibt keine mutigen Kompositionen, keine visuelle Handschrift, die dem Film Charakter verleiht.

Ethan Hawke spielt den Greifer mit einer Mischung aus überkandidelter Zurückhaltung und merkwürdiger Behäbigkeit. Seine dämonische Maske – ein Kunstwerk von Tom Savini – ist das Furchteinflößendste an der Figur, und das will etwas heißen. Er nuschelt, murmelt, posiert, aber wirklich bedrohlich ist er nie. Hawkes Performance bleibt so blutleer, dass man sich fast wünscht, er würde einfach mal explodieren – schreien, toben, irgendetwas tun. Doch er bleibt seltsam passiv, eine Art unentschlossener Boogeyman, der sich nicht sicher ist, ob er Kinder entführen oder einfach Tee kochen möchte. Mason Thames hingegen überrascht positiv: Er verleiht Finney eine gewisse Verletzlichkeit und jugendliche Entschlossenheit, die ihn sympathisch macht. Die Beziehung zwischen Finney und seiner Schwester Gwen (Madeleine McGraw) ist einer der wenigen Lichtblicke: Sie ist frech, schlagfertig, ein bisschen spirituell, und bringt jene Energie mit, die der Rest des Films schmerzlich vermissen lässt. Doch auch das kann die dramaturgische Leere nicht kaschieren. Der Film wirkt wie eine Skizze dessen, was er hätte sein können – eine Art Es-Light-Version, die auf halber Strecke die Richtung verliert. Finney wirkt nie wirklich in Gefahr, nie verzweifelt genug, nie wirklich gezeichnet vom Schrecken seiner Situation.

„The Black Phone“ ist ein Horrorfilm, der Angst hat, Angst zu machen. Er will gefällig sein, nicht verstören. Er will „gruselig“ sein, nicht grausam. Blumhouse hat mit diesem Film eine Art Mittellinie gezogen zwischen Genrekino und Mainstream. Das Ergebnis ist ein Film, der in seiner Nettigkeit fast schon rührend ist: Er zeigt uns das Dunkel, aber lässt uns nie darin stehen. Er deutet Schmerz an, aber hält sofort die Taschenlampe drauf. Das ist bequem, aber nicht beunruhigend. Man spürt die Hand des Studios, das Angst lieber portioniert als zelebriert.

Fazit

„The Black Phone“ ist ein Film, der klingen möchte wie ein finsteres Echo aus der Hölle – doch das Telefon bleibt stumm. Derrickson liefert ein handwerklich ordentliches, atmosphärisch ansprechendes Werk, das sich aber nie traut, wirklich zu schockieren oder emotional zu packen. Die Prämisse hätte Potenzial: Kindheitstrauma, Isolation, übernatürliche Kommunikation mit den Toten – alles Zutaten, aus denen man einen intensiven Psychothriller hätte destillieren können. Doch stattdessen bekommt man eine lauwarme Blumhouse-Mischung aus Retro-Feeling und Teenie-Horror, die aussieht wie „Es“, aber sich anfühlt wie „Gänsehaut für Erwachsene“. Scott Derrickson inszeniert kompetent, Ethan Hawke trägt eine interessante Maske, Mason Thames gibt sich Mühe – doch all das nützt nichts, wenn das Drehbuch keine Zähne hat. Der Film will viel, erreicht aber wenig. Weder Suspense noch Schrecken, weder Tiefe noch echte Emotion – nur hübsche Kulissen und solide Schauspieler in einer Geschichte, die nie richtig zündet. Am Ende bleibt „The Black Phone“ ein durchschnittlicher Eintrag aus dem Hause Blumhouse: ordentlich, aber belanglos. Ein Film, der zwar anruft, aber keine Verbindung herstellt.

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