2021 startete Netflix eine kleine Slasher-Offensive: Zum einen veröffentlichte der Streamingdienst die „Fear Street“-Trilogie, zum anderen „Jemand ist in deinem Haus“ nach dem Roman von Stephanie Perkins.
Der Titel ist zumindest bezeichnend für die Eröffnungssequenz, in der ein Highschool-Footballer nachmittags heimkommt und sich kurz hinlegt, während seine Eltern und Schwester außer Haus sind. Als der junge Mann erwacht, muss er jedoch feststellen, dass eine andere Person im Haus ist, was sich direkt an dem unheimlichen Detail zeigt, dass sein Handy nicht mehr auf dem Nachttisch liegt, sondern er von einer dort platzierten Eieruhr geweckt wird. Vor allem aber hat der Eindringling eine Spur aus Fotos durchs Haus gelegt, auf denen zu sehen ist, wie der Footballspieler einem Teamkameraden bei einem Initiationsritual das Gesicht blutig prügelt. Der peinlich berührte, aber auch ärgerliche Schüler folgt der Spur, um an deren Ende von einer Person erdolcht zu werden, die eine Maske mit seinen eigenen Gesichtszügen trägt. Dass die Sünden der (oft nahen) Vergangenheit die Schuldigen einholen, das ist ein klassischer Topos im Slasherfilm.
Noch dazu hat der Killer die Schuld seines Opfers öffentlich gemacht, sodass am nächsten Tag alle Schüler darüber Bescheid wissen. Dazu gehören auch Protagonistin Makani Young (Sydney Park) und ihre Clique aus Außenseitern. Eine Person davon ist nonbinär, ein anderer ist der Sohn eines verhassten Unternehmers, der die halbe Gegend aufkauft, Makani selbst ist kürzlich zugezogen usw. Sie alle kiffen gern und entsprechen nicht ganz der Norm, was in amerikanischen Highschool-Filmen kein leichtes Leben bedeutet. Dass der Getötete ein Jock war, der verprügelte Kamerad dagegen schwul, das befeuert den Klassenkampftenor natürlich nur, auch intradiegetisch, doch anfangs sieht es nach einer Einzeltat aus.
Als der Killer jedoch wieder zuschlägt und ebenfalls ein düstereres Geheimnis seines zweiten Opfers enthüllt, steigt die Panik im Städtchen. Auch bei Makani, die selbst etwas vor dem Rest der Welt verborgen hat, und damit gut ins Beuteschema des Täters passt…
Slasher sind eher formelhafte Filme, doch immer wieder versucht sich einer davon als Innovator im Stil von Wes Cravens genreprägendem „Scream“, jüngst etwa die komödiantischen Genre-Crossover vom Kaliber eines „Happy Deathday“, „Freaky“ oder „Totally Killer“, ohne jedoch den Impact des Craven-Films zu erreichen. Auch „Jemand ist in deinem Haus“ erweist sich als eher mildes Update bekannter Genreformeln, mit Masken aus dem 3D-Drucker und dem Thema Diversität in der Außenseitercrew als kleinen Neuerungen, die jedoch eher dezent bleiben. So werden die wenigsten Figuren wirklich entwickelt, auch die non-binäre Person mit NASA-Ambitionen und der schwule Footballspieler aus Makanis Crew nicht großartig. So bekommen in erster Linie das potentielle Final Girl und ihr heimlicher Lover Profil – letzterer hat allerdings einen so schlechten Ruf, dass er selbst von den Außenseitern gemieden wird. Während sich der Film bei diesen Charakteren und ihrer Beziehung als einfühlsam und vielschichtig erweist, so kommen viele andere kaum über den Status als Stichwortgeber, Schlitzeropfer und/oder mögliche Tatverdächtige nicht hinaus, was „Jemand ist in deinem Haus“ etwas Mitfieberpotential raubt.
Ansonsten regiert die klassische Whodunit-Frage, die dadurch aufgebrochen wird, als es nicht mehr nur die populären Teens, sondern auch Leute außerhalb der angesagten Crowd erwischt. Eine Person wird schnell von fast allen verdächtigt und kann es nach Slasher-Logik daher kaum sein, während der von James Wan und Shawn Levy produzierte Film einigermaßen geschickt falsche Fährten auslegt und mögliche Verdächtige präsentiert. Einige Leute haben unter den Getöteten gelitten, ein aufdringlicher, plappernder Uber-Fahrer ist auffällig oft vor Ort, die örtliche Polizei wiederum soll durch eine private Sicherheitstruppe ersetzt werden, weshalb Serienmorde unterstreichen würden, dass sie doch gebraucht wird. Die finale Enthüllung kommt dann recht überraschend daher und ist einigermaßen glaubwürdig, aber auch nicht so zwingend und wasserdicht wie in den Glanzstücken des Slasherfilms. Regisseur Patrick Brice und Drehbuchautor Henry Gayden legen dabei ein gutes Tempo vor und bekommt eine gute Balance aus Zeichnung der Hauptfigur, Attacken des Killers und Rätseln nach Identität des Täters vor, auch wenn letzteres vielleicht ein wenig zu kurz kommt.
Der Filmtitel ist dabei ein wenig irreführend bis unsinnig, denn potentielle Opfer werden nicht nur im eigenen Haus vom Killer verfolgt oder ermordet, sondern auch in der Schule, in den Häusern anderer Leute oder an der frischen Luft. Der Killer geht in erster Linie mit einem schwertähnlichen Langmesser vor, was das Morden nur bedingt kreativ macht (immerhin der Beichtstuhl-Kill ragt hervor), aber für einige Härten sorgt. Der Opferkreis ist überschaubar, die entsprechenden Szenen handwerklich aber ziemlich spannend inszeniert. In einer Sequenz schlägt der Mörder sogar während einer belebten Party zu, die von Makanis Kumpel Zach Sandford (Dale Whibley) veranstaltet wurde. Der Clou: Alle sollen auf der Feier ihre Geheimnisse ausplaudern, um vor dem Killer sicher zu sein, was ein wenig an die Entjungferungsfeier in „Cherry Falls“ erinnert. Das Finale hat mit dem brennenden Maisfeld eine coole, optisch einprägsame Location, die allerdings ein wenig darunter leidet, dass die entsprechenden Effekte aus dem Rechenknecht eher dürftig aussehen. Für unheimliche Momente sorgt außerdem Makanis Großmutter, denn die Gute schlafwandelt gern und räumt dabei die Bude um.
Darstellerisch ist der Cast mit größtenteils unbekannten und unverbrauchten Gesichtern im grünen Bereich, gerade für einen Slasherfilm. Sydney Park kann die Hauptrolle als psychologisch komplexe Heldin tragen, die an einem Trauma knabbert, ihren Lover verleugnet, in ihm aber doch einen Seelenverwandten sieht. Besagten Freund spielt Théodore Pellerin ebenfalls recht einprägsam als schrägen Typen mit verletzter Seele. Sind diese beiden Figuren allein oder zu zweit unterwegs, dann gibt sich „Jemand ist in deinem Haus“ eher düster und nachdenklich, andernfalls gibt es auch ein paar humoristische Einlagen, etwa wenn die Miss-Perfect-Streberin eine vermeintliche Trauergeste für den getöteten Footballspieler erbringen möchte, dass aber in erster Linie als Chance nutzt, um aus ihrem College-Bewerbungsessay vorzulesen.
„Jemand ist in deinem Haus“ ist vielleicht keine Frischzellenkur für den Slasherfilm, denn dafür sind die Updates doch zu moderat und die Abläufe doch sehr nach Schema F. Inszenatorisch und darstellerisch geht das Ganze aber klar, die Verfolgungs- und Mordszenen sind sauber gemacht, aber es ist eben auch nur solide Pflichterfüllung ohne kreative Sprünge. 5,5 Punkte