Allein der Titel ist ein Monument. Mit den Erwartungen an INTIMATE CONFESSIONS OF A CHINESE COURTESAN sollte man sich allerdings etwas in der Zeit zurück denken, als es zwar hier und dort rau auf der Welt zuging aber etwa Rolf Olsen gerade in seinem RASTHAUS DER GRAUSAMEN PUPPEN Elemente von WIP und Rache-Film pionierhaft in einem deutschen Reisser zusammen bringen konnte, Jack Hill mit THE BIG DOLL HOUSE Exploitationgeschichte schrieb und Teruo Ishii mit TOKUGAWA - GEQUÄLTE FRAUEN ein ganz großes Faß mit historischen Gewaltdramen aufmachte, die vielleicht noch am ehesten auf die 1972er Shaw-Brothers-Produktion abgefärbt haben. Natürlich hat jedes Land seine kulturellen Feinheiten, ganz zu schweigen von Zensurpolitik, wobei man anmerken muß, daß sich Chu Yuan, der u.a. mit seinen Clan-Filmen und der SENTIMENTAL SWORDSMAN Reihe bekannt werden sollte, mit INTIMATE CONFESSIONS OF A CHINESE COURTESAN relativ weit aus dem Fenster lehnte. Dies betrifft vor allem das Spannungsfeld einer lesbischen Zweckgemeinschaft zwischen der sadistischen Bordellbetreiberin Lady Chun (Betty Pei Ti) und der ihr unterstellten Ai Nu (Lily Ho Li-Li), deren Name übrigens den schlichten Originaltitel dieses seinerzeit erfrischenden Beitrags in den umfangreichen Shaw-Katalog von Rachefilmen bildete.
Es wäre sicherlich die falsche Herangehensweise, sich vor dem Hintergrund modernerer Cat. III Filme an INTIMATE CONFESSIONS OF A CHINESE COURTESAN zu nähern, zumal es in Hongkong üblich ist, erfolgreiche Themen in immer neuen Produktionen zu drehen und zu wenden. So findet man in einer ähnlichen Verfilmung wie ANCIENT CHINESE WHOREHOUSE sicher mehr Schauwerte, jedoch nicht die Formvollendung. Chu Yuan selbst verfilmte die Ai Nu-Geschichte in den 80ern als LUST FOR LOVE OF A CHINESE COURTESAN noch einmal. Interessanter noch, NAKED KILLER, eine provokante Mischung aus Action-Thriller, schwarzer Komödie und Melodram, zitiert INTIMATE CONFESSIONS OF A CHINESE COURTESAN an entscheidenden Stellen, geht aber speziell in der unzensierten Fassung natürlich ganz anders vor. Nein, es wäre sicher wichtiger, auf die neue Richtung zu schauen, die der Film besonders angesichts der eher auf männliche Protagonisten fokussierten Werke wie die des Chang Cheh den zeitgenössichen Shaw-Brothers-Produktionen geben konnte.
Etwas irritierend die Exposition über eine mit Filter belegte Szene, die wir später noch einmal im Kontext betrachten dürfen. Nun begab es sich also, daß die in diesem Abschnitt erwähnte Ai Nu, die mit einem Mord in Verbindung gebracht wird, als günstiges Opfer ausgespäht, entführt und an das Bordell der Lady Chun verschachtert wurde. Es ist bemerkenswert, wie in der folgenden Begutachtung der Mädchen versucht wird, mit der Moral zu brechen, aber gleichzeitig guten Geschmack zu bewahren. So lassen sich nur dem konzentrierten Auge unbekleidete Mädchen in einem Wimmelbild einer Reinigungszeremonie ausmachen. Eine Prüfung der Jungfräulichkeit erreicht auch ohne wirklich explizite Darstellung eine emotionale Wirkung.
Chu Yuan versteht es sehr gut, Dinge so anzudeuten, daß es kaum mehr beschämende Details benötigt, um sich Ai Nus Gefühle auszumalen, wenn sie von vier hohen Tieren des Ortes, nach Größe des Gebotes gestaffelt, eingeritten wird. INTIMATE CONFESSIONS OF A CHINESE COURTESAN erzählt diese Sequenzen in fiebrigen Erinnerungsfetzen, die in einem Standbild enden, bevor es zu konkreteren Handlungen kommt. Sagen das Setting und der schmierige Blick der Unholde noch nicht genug aus, vollbringt dies der unmittelbar anschließende Selbstmordversuch der Geschändeten.
Lady Chun peitscht sie aus und schleckt ihr Blut. Es ist der Beginn eines Verhängnisses, denn aus dieser blühenden Liebe erwächst schließlich der Rachezug von Ai Nu, was auch zu einem exponentiellen Anstieg der Gewaltdarstellung führt. Zu einem großen Teil ist das Rape & Revenge Drama tatsächlich vor allem der Form des Wuxia-Films verhaftet, paart sich jedoch dabei auch mit polizeilichen Ermittlungen, denen eine erstaunlich selbstbewusste Ai Nu bis zum Ende mit einfachen Erklärungen entrinnen kann. Man mag dies als Schwachpunkt oder als Stärke ansehen, ist es einerseits kein wirkliches Spannungselement, trägt aber zum dramaturgischen Bogen bei, welcher der Künstlichkeit der wunderschönen Shaw-Schneekulisse entsprechend den Schwerpunkt eher auf die Tragödie an sich legt, welche in durchschlagendem Kung Fu und einem hinterhältigen Schachzug kulminiert. Abgesehen von der seinezeit skandalträchtigen homosexuellen Beziehung sind Blut und abgetrennte Gliedmaßen durchaus schon im Grenzbereich des damals Möglichen.
Obschon INTIMATE CONFESSIONS OF A CHINESE COURTESAN spätestens im Folgejahr durch den überaus ästhetisierten japanischen Rachefilm LADY SNOWBLOOD global in den Schatten gestellt wurde und Filme wie THE KISS OF DEATH von Ho Meng-Hua sicher ihrerseits auf moderne Art etwas beizufügen hatten, ist es doch ein wirklich respektables Frühwerk des Honkong-Exploitationfilms, welcher zwar schon verschiedene Genres vermischt, aber z.B. ohne den oft störend klamaukigen Humor auskommt. Die Kulissen sind für diesen Bereich verhältnismässig oppulent und auch wenn die Kämperinnen manchmal durch den Kampf zu springen scheinen, wie Flipp der Grashüpfer, gleicht die vergleichbar nihilistische Darstellung die ein oder andere Schwäche in der Choreographie wieder aus. Das Frühwerk, dem noch mancher Reisser folgen sollte, zeichnet sich durch eine stilsichere Wertigkeit aus, die dem ein oder anderen Streifen abgeht, der später an die Grenzen der Zensur geführt werden sollte. Überhaupt sei erwähnt, daß in Hongkong erst Mitte der 80er Diskussionen über ein Erwachsenen-Rating geführt wurden, was auch eine Definition des Machbaren anregte, die es in dieser Form bisher nicht gegeben hatte. Insofern gebührt INTIMATE CONFESSIONS OF A CHINESE COURTESAN als ein Meilenstein auf diesem Weg der gebührende Respekt. Tatsächlich ist es aber auch, wenn man über die Suche nach dem "Kick" hinausgewachsen ist, ein wirklich sehenswerter Film mit knallharten Frauenbildern.