Review

Miniserie - 8,5/10

Miniserie

The Horrors Within

Nachdem sich Mike Flanagan für Netflix mit ein paar Gothic-Grusel-Gourmethappen („Spuk in Hill House/Bly Manor“) als Meister seiner Zunft bewiesen und für viele quasi bereits unsterblich gemacht hat, verleiht er mit „Midnight Mass“ (wieder exklusiv auf Netflix) seinem Stil, seinem Tempo und seiner Atmosphäre irgendwo zwischen Poe und King einen moderneren, aber keinesfalls mainstreamigeren Anstrich - über eine kleine Inselgemeinde, die nach der Rückkehr eines in Ungnade gefallenen Mannes und der Ankunft eines mysteriösen Priesters mit ganz besonderen Dämonen zu kämpfen hat…

Ich glaube - also spinn' ich!

Wie die beste „Salem's Lot“-Version, die jedoch nie wirklich auf Kings Buch basierte, kommt „Midnight Mass“ von mir mit höchster Empfehlung. Egal ob Oktober ist oder nicht. Egal ob man mit Flanagans Style etwas anfangen kann oder nicht. Egal ob man Horror oder Drama erwartet. Egal ob man Engelchen oder Teufelchen ist. Zu glaubhaft und gut sind die Figuren gezeichnet, zu persönlich und tiefgreifend sind die Themen, zu schön ist es, dass sich eine Geschichte mal wieder zeitlassen und atmen darf. Zu heftig ist die Gänsehaut, die mir das alles insgesamt über Körper und Seele treibt. Irgendwo zwischen B-Movie und Ingmar Bergmann. Hervorragend ausgestattet, immer interessant genug um die Neugier hoch zu halten, durchzogen von etlichen exzellenten Mimen und verschachtelten Mysterien. Sehr King, sehr Flanagan, sehr gehobener Grusel. Und das für mich komplett ohne prätentiös oder arthousig zu werden. In sieben Folgen und Stunden durchgezogen. Mit einer eiskalten Seelen(un)ruhe, die man selten sieht. Egal in welcher TV-Epoche. Die Zitate (z.B. „The Lost Boys“) sind eher sinnvoll als erzwungen. Es gibt ein paar tolle, folkige Songs. Und die Atmosphäre sickert tief in einen ein - wenn man sie lässt. Leichte Abstriche gibt’s in Sachen „Alte Leute und ihr Make-Up“ und dem ein oder anderen zu unrealistischen, erklärerbärigen Monolog. Zudem ist der Augenmerk auf Religion sicher nicht für jeden. Und das wirklich sehr langsame Tempo (mit dem der Horror in diese Inselidylle eindringt) könnte heutigen hyperaktiv-hüpfenden Hirnen zu harmlos und eine Hürde sein. Aber das könnte mir nicht ferner und egaler sein. Ansonsten ist das Meisterklasse. Das Ende ist pure Horrorpoesie. Und (christliche) Religion als blutsaugende Gefahr, als bissigen Virus, als todbringende Aura lesen zu lassen, ist definitiv auch heute noch mutig… 

Im Namen des Satan, des Hohnes und des unheiligen Geistes… 

Fazit: Mike Flanagan macht’s schon wieder… „Midnight Mass“ ist unheimlich persönlicher, cleverer und emotionaler „Horror“, der nahezu null für kurzweilige Schocks, sondern viel eher für langanhaltende Unruhe und innere, menschliche wie religiöse Konflikte steht. Über Wunden, Wunder und Wut. Überragend, zeitlos, bleibend verstörend! (8,5/10)

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