Mit "Im Schatten des Shogun" (der aussagekräftigere Originaltitel müsste zu deutsch in etwa "Die Yagyu-Verschwörung" heißen) drehte Kinji Fukasaku - bekannt geworden für seine desillusionierenden Visionen der japanischen Unterwelt - einen epochalen Historienfilm für die Toei-Studios, der den ersten Samuraifilm von Toei nach 12 Jahren darstellt und mit großen Vorankündigungen startete. Mit massivem Aufwand - vor allem ist das Ergebnis der Kostümarbeit, ohne dass ich deren historische Authentizität im geringsten beurteilen könnte, absolut beeindruckend - wurde ein Historiendrama in Szene gesetzt, dessen ambitionierte, eigensinnige Sichtweise auf die Frühzeit der Tokugawa-Dynastie den Film ebenso von "action"lastigeren Samuraifilmen abgrenzt wie die Akzentsetzung innerhalb des Personals des Films.
Mit Shinichi "Sonny" Chiba, Etsuko Shihomi und Hiroyuki Sanada sind herausragende Talente körperbetonten Schauspiels, die reichlich Kampfkunst-Spektakel zu versprechen scheinen, zur Genüge vertreten. Aber das erzählerische Gewicht liegt, wie man mit der Zeit feststellt, auf den Repräsentanten der hohen Politik und ihren teils erschreckend kaltblütigen Intrigen. Dass man beispielsweise Sonny Chiba engagierte, ihm aber eine Rolle von verhältnismäßig geringer Präsenzzeit im Film gab, kann als Indikator dafür gesehen werden, was für eine kapitale Produktion dieser Film in seiner Gesamtheit darstellt und wie massiv sein Aufgebot an herausragenden japanischen Schauspielern ist. Es zeigt aber gleichzeitig, dass der Film klug genug ist, sein komplexes geschichtliches Thema nicht an einer simplen Identifikationsfigur auszurichten.
Wenn hier von einer Hauptfigur die Rede sein kann, dann handelt es sich um den Fechtmeister Tajima Yagyu (ein anderer Name für den berühmten Munenori Yagyu [1571-1646]), wobei der Umgang mit der geschichtlichen Überlieferung hier eher frei gestaltend erfolgt. Nach dem Tod des zweiten Shoguns aus der Familie Tokugawa, Hidetada, entbrennt ein Nachfolgestreit zwischen seinem älteren, leicht missgestalteten und weniger beliebten Sohn Iemitsu und dem jüngeren, populären Tadanaga. Yagyu findet heraus, dass der Tod Hidetadas durch Gift erfolgte, nimmt die Täter in Schutz und kann den schockierten Iemitsu durch seine charismatische Rhetorik überzeugen, den Weg zum Shogunat anzutreten. Für dieses Ziel geht Yagyu über Leichen und scheut vor keiner Intrige zurück. Kinnosuke Yorozuya Nakamura verkörpert diesen skrupellos machtorientierten, aber gleichzeitig seinem Fürsten absolut ergebenen Politiker mit dämonischer Gewalt. Seine Worte sind mit bedrohlichem Nachdruck hervorgepresst, seine Mimik erinnert an die Fratzen der Wächterfiguren buddhistischer Tempel. Auch Toshiro Mifune, der den wesentlich besonneren Fürsten Owari verkörpert, scheint dagegen zu verblassen, was natürlich vor allem an seiner als moderat angelegten Rolle liegt. Von Iemitsu (Hiroki Matsukata) und Tadanaga (Teruhiko Saigo) über ihre Mutter Oeyo (Isuzu Yamada), den Yagyu entgegengesetzten Fechtmeister Genshinsai (Tetsuro Tamba), den Flötenspieler Sanza (Yoshio Harada), seine Geliebte Okuni (Reiko Ohara) und den hinterhältigen kaisertreuen Politiker Karasumasu (Mikio Narita) - die schauspielerische Besetzung genügt höchsten Ansprüchen, was gerade bei einem Historiendrama unbedingt erforderlich ist.
Nun vollbringen Drehbuch und Regie das Kunststück, jede der zahlreichen Figuren zumindest grundsätzlich in ihren Motivationen nachvollziehbar zu machen. Auch Yagyu wirkt in seinem ganzen Grimm soweit sympathisch, dass er alle bösen Intrigen einzig und allein seinem Herrn und Schützling Iemitsu zuliebe vollzieht, dessen teils in seiner nachteilhaften äußeren Erscheinung begründete Unbeliebtheit er nicht einfach hinnehmen will. Seine in diesem Film ausgesprochenen Lehren zollen dem historischen Munenori Yagyu Tribut, der einer der einflussreichsten Theoretiker des Samuraiwesens war. Sein Sohn Jubei Yagyu, ebenfalls eine sagenumwobene und oft thematisierte historische Gestalt, wird von Sonny Chiba mit jugendlicher Inbrunst verkörpert und wird - was nahezu eine Standardkonstellation darstellt - als Gegenpol zum kalten Machtmenschentum seines Vaters gestaltet. Voller Idealismus kämpft er im Sinne einer Sache, die er bis zu einer katastrophalen Desillusionierung als gerecht empfindet, und so läuft alles auf eine finale Konfrontation hinaus, anhand deren der Film sein freies Verhältnis zur "offiziellen" Geschichtsschreibung explizit macht.
Fukasakus Historienfilm bietet weit mehr als einen prachtvollen Bilderbogen japanischer Geschichte. Er stellt vor diesem Hintergrund zeitlose Fragen und beantwortet sie in aller Konsequenz nach dem tragischen Verständnis menschlichen Willens und Handelns.