Grünzeug für die Ewigkeit
Eigentlich wollte ich „Soylent Green“ schon vor drei Jahren geguckt haben, er hätte auch wunderbar in pandemischere Zeiten gepasst. Doch irgendwie bin ich 2022 - in dem Jahr in dem er spielt! - nicht dazu gekommen und dann rutschte er irgendwie sang- und klanglos zurück in seinen angestammten Platz in meiner Sammlung. Ganz aus dem Hinterkopf - auch im Hinblick auf die aktuelle und immer heikler werdende Weltlage - ist er jedoch nie gefallen. Ich wollte ihn unbedingt nochmal reviewen. Ich hatte ihn sehr positiv in Erinnerung, er hatte mich als Jugendlicher sehr beeindruckt bis verstört. Und nun war es soweit, dass ich die berüchtigte Sci-Fi-Noir-Parabel nochmal unter die Lupe nehmen durfte - über eine gefährlich überbevölkerte Welt (vor allem NYC) in der wir den Mordermittlungen eines stoischen Polizisten folgen, die ihn viel tiefer in den Unterbauch dieser unmenschlichen Welt voller schmieriger Konzerne, sozialen Ungerechtigkeiten und unlauter Machenschaften führen als ihm vorher lieb war…
Smog, Überbevölkerung, Gier
Sorry Charlton, aber in „Soylent Green“ ist die Welt der Star. Mal giftig grün, mal stilvoll sexy, mal gefährlich gruselig, mal unangenehm nah. Zwischen Zukunftsvision, Warnung, Paranoia und leider gar nicht soo weit hergeholt. Klar, die Auflösung kennt jeder Genregucker, das Zitat ist unsterblich. Und auf den ersten Blick kann der Weg bis dahin etwas steinig und zäh sein. Doch „Soylent Green“ hat noch deutlich mehr zu bieten als grünen Schleim, der Aufschrei und Ekel erregt. Noch ganz klar dem Sci-Fi-Kino vor „Alien“ und Co. zugehörig, nicht ganz auf dem Niveau des affigen anderen Sci-Fi-Klassikers mit Heston, zeitweise etwas behäbig und ziellos. Aber die Welt, wie gesagt, macht’s. Und zwar bleibend! Es gibt ein paar der heißesten Nymphen und Klamotten der 70er-Traumfabrik. Heston ist als kalter, machtloser Macho genau der richtige Mann in dieser Welt, wo jeder jeden frisst. Und allein die Kontraste zwischen Luxus und Straße, Oberschicht und Unterschicht, Klasse und Masse sind verblüffend und können einem eine Gänsehaut einjagen. Noch immer. Rechnet man dazu die ständig schwitzig-schmutzigen Vibes, Edward G. Robinsons letzte, enorm beeindruckende Performance kurz vor seinem Tod, eine Welt, die von der Realität in vielerlei Hinsicht bereits eingeholt wurde. Fertig ist ein Klassiker. Sicher kein einwandfreier und makelloser. Aber ein enorm wichtiger und wegweisender, klassischer wie schmerzhafter. Da spielt's weniger eine Rolle, wenn die berühmte Auflösung schon damals - egal wie schockierend sie sein mag - zumindest keine totale Überraschung mehr gewesen sein kann, wenn man den Film mit halbwegs offenen Augen guckt…
Die soziale Schere schneidet auch durch Fleisch
Fazit: das Ende ist ikonisch, das Worldbuilding mehr als interessant, die Atmosphäre ist komplett einnehmend, der politisch-linke Standfuß klares Vorbild auch z.B. für die damals anrückende Generation an Genrefilmemachern (wie John Carpenter). Der Film an sich ist nicht ohne Fehl, Längen und Tadel. Insgesamt ist das trotzdem ein legendärer Sci-Fi-Warnschuss… Und noch Zukunftsvision. Mit Betonung auf noch.