„Ein ganz normales Mädchen.“
Der rund 50-minütige TV-Dokumentarfilm „Claudia Cardinale – Die italienische Filmdiva“ aus dem Jahre 2019 stammt von Emmanuelle Nobecourt und Erwan Bizeul und ist eine dieser typischen von oder für den französisch-deutschen Kulturkanal Arte produzierten, unter einer Stunde Laufzeit bleibenden Collagen, die vorhandenes Material zusammensetzen, statt neues Exklusivmaterial beispielsweise durch aktuelle Interviews zu präsentieren. Dies erweist sich in der Regel als nicht störend, da letztlich der Informationsgehalt zählt.
So werden auch hier zahlreiche Interview-Auszüge (als untertitelte O-Töne) insbesondere aus den jungen Jahren der in Tunesien geborenen Tochter eines Sizilianers und einer Französin aneinandergereiht, um ein paar Privataufnahmen ergänzt und mit Ausschnitten ihrer Spielfilme aufgelockert. Die Einordnung übernimmt eine in dieser Doku recht dominante Off-Sprecherin.
Cardinale, die zunächst gar kein Italienisch sprach, debütierte im Jahre 1958 neben Omar Sharif in „Goha“, avancierte aber unter italienischen Regisseuren wie Visconti, Fellini und Leone zum Star. In Leones fulminantem „Spiel mir das Lied vom Tod“ war sie mir denn auch erstmals aufgefallen – und nicht mehr aus dem filmischen Langzeitgedächtnis gewichen. In den 1960ern war sie ganz oben und habe, so diese Doku, das Frauenbild im Film geändert. Die Doku vermittelt das Bild einer zunächst sehr scheuen jungen Frau, die sich ihrer Außenwirkung und Attraktivität kaum bewusst war und eigentlich gar nicht so recht zum Film wollte, was die alten Schwarzweißaufnahmen bestätigen. Man zeichnet ihre Karriere und ihren unerwartet schnellen Aufstieg bis zum erfolgreichen Gang nach Hollywood nach, gibt aber auch Privatem wie dem Verwirrspiel um ihren Sohn, den sie lange als ihren kleinen Bruder ausgab, Raum.
Claudia Cardinale, die eigentlich Claude hieß, fehlte (ihrer von ihr selbst reichlich übertrieben als Reibeisen bezeichneten Stimme zum Trotz) das Verruchte anderer attraktiver weiblicher Leinwandgrößen, und gerade das machte sie als Typ interessant. Sie wirkte bodenständig und bescheiden, dabei aber mit sehr viel klasse und dadurch sympathisch, und in ihrer Mischung aus unschuldiger Keuschheit und anmutiger Ausstrahlung natürlich und besonders zugleich. Ihr Privatleben versuchte sie weitestmöglich privat zu halten und so bleibt die im September 2025 verstorbene Schauspielerin tatsächlich in erster Linie für ihre Arbeit vor der Kamera in Erinnerung.
Eine einmal mehr sehenswerte Dokumentation, die einem Claudia Cardinale ein gutes Stück weit näherbringt.