Mit "Geißel des Fleisches" (1965) und "Schamlos" (1968) schuf Eddy Saller als Regisseur und Drehbuchautor, neben den beiden, der Sexfilmwelle zugehörigen Erotikfilme "Liebe durch die Autotür" (1972) und "Monique, mein heißer Schoß" (1978), zwei Exploitationfilme, die von der zeitgenössischen Kritik verrissen und in den 90er Jahren als Ausnahmeerscheinungen des österreichischen Nachkriegskinos wiederentdeckt wurden und in Fankreisen heutzutage Kultstatus genießen.
Das Nischen-Label Donau Film hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese vier Perlen des sleazigen Bahnhofskinos sowohl als Einzelveröffentlichungen, als auch in einer Box dem Liebhaber solcher Filme zugänglich zu machen, und überzeugt dabei vor allem durch eine liebevolle Ausstattung.
Vor allem die Einzelveröffentlichung von "Geißel des Fleisches" passt sich dem hohen Niveau früherer und noch folgender Veröffentlichungen des Labels an und präsentiert Filmsammlern das Werk in einem Pappschuber sowie mit zwei Cover-Varianten - inklusive des Original-Kinoplakatmotivs! Das FSK-Logo auf dem Schuber ist zwar aufgedruckt, fällt aber nicht weiter ins Gewicht, da dieses Motiv auch für das Wendecover verwendet wurde und beide Artworks ohne FSK-Logo versehen sind. Das Master wurde, so gut wie möglich, digital bearbeitet - dennoch weist der Film Verschmutzungen auf, die aber zur Schwarz-Weiß-Inszenierung passen und dem Werk einen ganz besonderen Flair verleihen. Das Bonusmaterial gestaltet sich interessant und besteht aus Interviews mit Regisseur, Produzent und Darstellern, sowie dem Trailer zum Film.
"Geißel des Fleisches" - Ein brutaler Frauenmörder steht vor Gericht - der vielseitige, stets auf die Rolle des Bösewichts abonnierte Herbert Fux, in seiner ersten Hauptrolle: in einem Film, der auf realen Ereignissen basiert und zurecht das Siegel "Sex & Crime" verdient.
Als Schauspieler bediente Fux völlig unterschiedliche Genres. Zu sehen war er in Arbeiten wesentlicher Vertreter des europäischen Films, etwa Michael Anderson ("Das Quiller-Memorandum"), Christian-Jaque ("Geheimnisse in goldenen Nylons"), Wolfgang Staudte ("Die Herren mit der weißen Weste"), Volker Schlöndorff ("Die verlorene Ehre der Katharina Blum") oder Ingmar Bergman ("Das Schlangenei"). Fux war oft Protagonist in Filmen von Jess Franco ("Die Folterkammer des Dr. Fu Man Chu", an der Seite von Christopher Lee, "Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne") und traf dabei auch mit Klaus Kinski zusammen ("Jack the Ripper – Der Dirnenmörder von London"). An der Seite von Vincent Price spielte er in "Das Haus der 1000 Puppen". Seine internationale Reputation als Trashfilm-Darsteller wurde auch durch seine Rolle als Folterknecht in "Hexen bis aufs Blut gequält" geprägt.
"Geißel des Fleisches" - Nachdem er von einer verdeckt arbeitenden Polizistin als Frauenmörder entlarvt wurde, landet der gescheiterte Künstler Alexander Jablonsky vor Gericht. Im Rahmen der Verhandlung entfaltet sich sein Leben, von seiner Kindheit ohne Liebe über den ausbleibenden Erfolg bei gleichaltrigen Mädchen in der Pubertät, bis zu seinem Hass auf Frauen, die sich zur Schau stellen, ihn aber zurückweisen. Schließlich entlädt sich sein Hass in der Ermordung einer Ballettschülerin, einer Anhalterin und weiterer Frauen.
Der spekulative Titel ist Programm und hält in den 77 Minuten Laufzeit, was er verspricht. Was für die 70er Jahre der Hitchcock-Thriller "Frenzy" war, war für die 60er Jahre und den europäischen Markt Sallers düstereres Psychogramm eines mordenden Triebtäters, der von Herbert Fux wortkarg, aber eindrucksvoll gespielt wird. Im Rahmen der Gerichtsverhandlung lässt Saller die explizit dargestellten Taten Jablonskys, in Rückblenden Revue passieren: die Morde an aufreizenden Barmädchen, frühreifen Teenagern und Prostituierten - ungeschönt und dem reißerischen Titel angemessen, den man auch für die Schlagzeile einer BILD-Zeitung halten könnte. Heraus kam ein, die Sensationslust des Zuschauers befriedigender, sehr sleaziger Beitrag, der unter dem Deckmantel der Entrüstung über unsere unmoralische Zeit und den zur Schau gestellten weiblichen Reizen, eben diese auch zum Hauptaugenmerk seiner Inszenierung macht und so auf die Triebe des Mitte der sechziger Jahre noch nicht übersättigten Publikums abzielt. Während ähnlich reißerisch betitelte Klassiker wie "Schwarzer Markt der Liebe" oder "Heißes Pflaster Köln" noch relativ züchtig und sittsam das schmierige Milieu inszenieren, schöpft Saller aus dem Vollen und verweilt in den anrüchigen Etablissements und setzt verstärkt auf nacktes Fleisch. Im Gegensatz zur schlüpfrigen Zurschaustellung und den brutalen Mordsequenzen entwickeln die Gerichtsszenen einen anspruchsvollen Charakter, so dass "Geißel des Fleisches", trotz seines spekulativen und sleazigen Hintergrunds, in vielerlei Hinsicht punktet und zurecht zu den Perlen des europäischen Exploitationfilms gezählt werden darf und Anerkennung verdient - in Form dieser überdurchschnittlichen und absolut empfehlenswerten Veröffentlichung!
7/10