Review

Der Barpianist Alexander Jablonsky  steht vor Gericht. Der Staatsanwalt wirft ihm vor, mehrere Frauen bestialisch ermordet zu haben, der Verteidiger erklärt dies mit der schweren Kindheit und dem Hass der Mutter wegen Jablonskys abstoßendem Äußeren. In Folge begleiten wir Jablonsky in Rückblenden ein Stückchen seines Weges: Der grausame Mord an einer Balletttänzerin unter der Dusche, der Tod eines Unterwäschemodels, das Sterben einer lüsternen Anhalterin … Doch die Polizei hat eine heiße Spur, und mit Hilfe der Kriminalassistentin Marianne wird dem Unhold in der Playboy-Bar eine Falle gestellt. Dumm nur, dass Jablonsky gar nicht auf Marianne scharf ist, sondern auf die vor Erotik nur so strotzende Marion, die sich nackt auf seinem Klavier räkelt. Doch Marianne ist mit ihrem Latein noch nicht am Ende und setzt sich in Jablonskis Auto um auf ihn zu warten. Toller Plan!

Verruchte Damen, dümmliche Polizisten, schmierige Barbesitzer, ein hilfloser Kommissar, und natürlich er: Herbert Fux, der Herr über Leben und Tod, der wahre Herrscher der Wiener Nachtwelt.

Und so ziehen wir gemeinsam mit Jablonsky und seinem Mordtrieb durch die sündige Meile Wiens, durch eine Nacht voller nackter und aufreizender Damen, und vor allem durch eine Welt, in der moderne Frauen keine Scham mehr empfinden und die Röcke deutlich oberhalb der Knie enden. Eine Welt, in der die Frau offensiv auf Männerfang ist, und keine Scheu an den Tag legt, den Herrn der Schöpfung zu umgarnen und zu becircen. So zumindest legt es uns die Einführung in den Film dar. Und mittendrin der arme Jablonsky, den niemand jemals lieb hatte (der wahrscheinlich auch gar nicht weiß was Attitüde heißt), und der seine Einsamkeit mit psychopathischen Hass und grausamen Gewalttaten zu bekämpfen versucht. Eine wunderbare Reise durch Stripschuppen, Kellerbars und Cafés, in denen junge Dinger Unterwäscheshows vor betagten Frauen(!) abhalten, und der Klavierspieler vor lauter Trieb gar nicht mehr weiß wo er noch hinschauen soll.

Die Schwarzweißfotografie ist vom Feinsten, und erinnert oft an den klassischen Noir-Film, nämlich wenn die Morde durch Schattenwürfe eines schleichenden Mannes angekündigt werden, was Stimmung und Spannung in diesen Momenten in ziemliche Höhen schraubt. Der einzige wirkliche Wermutstropfen ist die Synchro. Dass die Schauspieler alle hochdeutsch gedubbt wurden mag GEISSEL DES FLEISCHES vielleicht einiges von seinem Schmier nehmen, aber das Flair des Verruchten und Geheimnisvollen geht leider verloren. Wie mag der Film wohl im originalen Wiener Schmäh wirken? Trotzdem ist der Streifen eine gekonnte Gratwanderung zwischen einem frühen Exploiter und einem ernsthaften Drama, zwischen einer wilden Kolportage und dem Psychogramm einer gequälten Seele.

Irgendwo ist es schade dass Saller sich nicht so recht entscheiden konnte, in welche Richtung GEISSEL denn nun gehen sollte. Konnte, oder wollte? Denn auf der anderen Seite entsteht genau dadurch dieses besondere Spannungsfeld. Während die Eröffnungssequenz noch wie ein Vorgriff auf die späteren Report-Filme wirkt, und auch die folgenden  Tanz- und Duschszenen schwer in die Richtung des Bahnhofskinos zeigen, sind die Morde eher düster und mit einer gesunden Härte dargestellt. Auch die Rahmenhandlung in Form der Gerichtsverhandlung mit den Rededuellen zwischen Staats- und Rechtsanwalt deutet eher auf eine klassisch-biedere Kriminalhandlung denn auf das Ausschlachten nackter und nackterer Tatsachen. Mit fortschreitender Laufzeit wird der Film dann immer finsterer, und hätte mit einer anderen Inszenierung auch problemlos als ernsthafter Großstadtkrimi durchgehen können. Was ich mit anderer Inszenierung meine? Damit meine ich, dass ein Film wie etwa Alfred L. Werkers SCHRITTE IN DER NACHT die Besessenheit seines Protagonisten ganz anders darstellt. Intensiver, obsessiver, düsterer – eben ernsthafter. Bei GEISSEL schwingt oft so ein Augenzwinkern mit, eine Leichtigkeit, die den Film krampfhaft aus dem Bahnhofskino heraushalten und in die großen Kinos hineinbringen sollte. So scheint es zumindest, aber genau diese Unentschlossenheit ist es, die wie gesagt GEISSEL dieses Besondere gibt. Wenn es jemals einen schmierigen Exploiter innerhalb der klassischen Edgar Wallace-Reihe gegeben hätte, dann würde er aussehen wie GEISSEL DES FLEISCHES …

Details
Ähnliche Filme