Mit Gozu schuf Kultregisseur Takashi Miike einen seltsamen Yakuza-Film mit Roadmovie- und Horrorfilm-Anleihen, der sich mit einer Handlung gar nicht erst aufhält. Yakuza Minami (Hideki Sone) soll seinen Kollegen Ozaki (Sho Aikawa), der langsam den Verstand verliert, auf einer Müllhalde beseitigen. Doch Ozaki stirbt schon vorher und seine Leiche verschwindet auf mysteriöse Weise. Minami macht sich auf die Suche nach der Leiche und trifft so auf allerhand skurrile Figuren, von denen jede einzelne die anderen an Seltsamkeit übertreffen will und die ganze Chose so ziemlich gezwungen daherkommt. Anders sein mit aller Gewalt lautete hier wohl das Motto und in diesem Bestreben wurde alles andere scheinbar vernachlässigt.
Was inhaltlich nach einer turbulenten, grotesken Suche nach einer verschwundenen Leiche und durchaus interessant klingen mag, ist meist erschreckend behäbig inszeniert, und für eine Handlung einfach zu wenig, was bei einer Länge von rund 130 Minuten unweigerlich zu etlichen Längen führen muss. Dass Yakuza-Mitglieder gern als düstere, lakonische Typen dargestellt werden, ist ja nichts Neues, aber wenn jedes Mal erst eine gefühlte Ewigkeit vergehen muss, bevor auf eine Frage geantwortet wird, zerrt das bald an den Nerven des Zuschauers. Auch die Suche nach der Leiche fällt wenig spektakulär aus. Minami lässt sich von einem pigmentgestörten Typen mit Cyberpunk-Anleihen durch die Gegend führen und das nicht gerade rasant oder sonderlich interessant. Die Suche nach der Leiche gerät zunehmend in den Hintergrund. Man trifft in einer Gaststätte, vor welcher die Leiche erst verschwunden ist, auf skurrile Gestalten und übernachtet in einer düsteren Herberge, die von einem abstoßend grotesken, alternden Geschwisterpaar betrieben wird. Die Frau produziert ständig Muttermilch und reibt das auch jedem unter die Nase, der Bruder ist ein seniler Nichtsnutz, der angeblich Geister beschwören kann und bei Versagen ausgepeitscht wird.
Dass sich Takashi Miike schon immer einen Dreck ums konventionelle Filmemachen scherte und er auch nicht vom Servieren diverser Geschmacklosigkeiten zurückschreckt ist ja bekannt, doch bei Gozu wird der Bogen gnadenlos überspannt, was wohl nur noch seine Hardcore-Fans gutheißen können.
Das auf dem DVD-Cover prophezeite „Yakuza-Horror-Theater“ will sich trotz allem nicht einstellen. Ein paar eklige, abstoßende Szenen machen noch lange keinen Horrorfilm, erst recht nicht, wenn das wirre Drumherum so ruhig und langatmig inszeniert wird wie im vorliegenden Fall. Die absolut unmelodiöse Musik, die Gozu unterlegt ist, will zwar Spannung erzeugen, aber irgendwann nimmt man auch ihr das nicht mehr ab. Schwarzhumorige Zwischenfälle wie etwa das Ausschalten eines "Yakuza-Angriffshundes" passen zwar ins ärmliche Gesamtbild, sind aber weit weniger lustig als man vielleicht annehmen würde.
Dann endlich, als Minami seinen Kollegen auf der Müllhalde wiedertrifft, bzw. seine Überreste auf grotesk-geniale Weise wiederfindet, denkt wohl jeder Zuschauer, der es bis hier hin geschafft hat, erleichtert, der Film müsse nun wohl zuende sein. Und tatsächlich wäre die Szene auf der Müllhalde das nahezu perfekte Ende gewesen, hätte Takashi Miike da nicht noch einmal ein halbstündiges Outro obendrauf gesetzt, das dem Film das letzte Bisschen an Intellekt und Unterhaltungswert nimmt. Ist schon die milchverspritzende Alte und der niedere Wortschatz aller Beteiligten eine Sache für sich, erfreuen sich wohl nur noch die hartgesottensten Fans an einer absurd-abstoßenden Geburt in einer überlangen Endszene und einem Tod dank Schöpfkelle im Arsch (natürlich immer im Zusammenhang mit schmuddeligen Sexszenen). Das spielt dann schon fast ins Perverse und ist dank schamlos voyeuristischen Einstellungen fast unerträglich, selbst wenn man eigentlich gar nicht so viel sieht.
Für Takashi Miike-Fans sicherlich noch eine Empfehlung wert, doch wer noch keinen Film vom japanischen Kult-Regisseur gesehen hat, sollte nicht unbedingt mit Gozu beginnen. Wer nichts mit Ekel-Kino am Hut hat oder einen konventionelleren Yakuza-Film sehen möchte, sollte Gozu ebenfalls meiden. Zwar mag der ein oder andere Pseudo-Intellektuelle sicherlich wieder krampfhafte Tiefsinnigkeit aus dem zähen Brei von Abschaum und Abscheulichkeiten ziehen, doch im Grunde bleibt Gozu nur eines: sinnlos. Und das noch nicht einmal sonderlich unterhaltsam.