Review

Kontemporärer Trash – THE ASYLUM (5)

MOON CRASH

(MOON CRASH)

Noah Luke, USA 2022

Vorsicht – dieses Review enthält SPOILER!

Kommen wir zu einer weiteren Arbeit aus der kalifornischen Ramschbude „The Asylum“: Moon Crash ist ein generischer Sci-Fi-Katastrophenfilm und der unverhohlene Mockbuster zu Roland Emmerichs 150-Millionen-Debakel Moonfall, womit seine Produzenten wieder einmal im Rahmen ihrer Kernkompetenz unterwegs sind. Nur dreizehn Monate vorher hatten sie übrigens mit Meteor Moon schon einen Beitrag zum gleichen Thema verbrochen – der Erdtrabant erfreute sich seinerzeit zumindest im Filmbusiness einer beträchtlichen Wertschätzung.

Irgendwann in der offenbar gar nicht so nahen Zukunft: Auf dem Mond betreibt die Bergbaugesellschaft „Taurus Mining Corporation“ im großen Stil den Abbau wichtiger Rohstoffe. Da auch bei diesem Arbeitgeber Zeit Geld ist, sind die Beschäftigten angehalten, sich zu beeilen und strikte Vorgaben zu erfüllen. Eine Arbeiterin übertreibt es jedoch mit Blick auf eine schöne Bonuszahlung beim Einsatz ihres riesigen Laserbohrers gehörig – sie bohrt viel zu schnell und zu tief, trifft auf eine geologische Verwerfung und löst damit jene Katastrophe aus, um die sich im Folgenden alles drehen wird: Ein riesiges Stück des Mondes bricht ab und nimmt Kurs auf unsere Erde, begleitet von vielen, vielen kleineren Stücken, die etwas schneller sind und schon mal als Vorboten des ganz großen Unheils überall auf der Welt einschlagen. Zum Beispiel in der Mojave-Wüste, die den Hauptschauplatz dieses Films darstellen wird.

Hier treffen wir auf unser Protagonistenpärchen – die Astronomin Amanda Sawyer und ihren Ex-Mann Steve Sawyer (kein Katastrophenfilm ohne getrenntes Pärchen – arrgh!!), seines Zeichens ebenfalls Wissenschaftler und zudem Leiter des Weltraum-Luftfahrt-Unternehmens „Sawyer Aerospace“. Er ist also eine Art Elon Musk, nur ein paar Schritte weiter – immerhin fliegen seine Raumschiffe schon fleißig zwischen Mond und Erde hin und her. Eins davon ist die „Luna 5“, die unter dem Kommando von Steves Bruder Logan Sawyer steht und das Bergwerksunglück auf dem Mond halbwegs funktionstüchtig überstanden hat.

Auf der Erde aber haben wir erst einmal Steve und Amanda, die sich dienstlich im Mojave-Wüsten-Observatorium getroffen haben und nun von der Katastrophe überrascht werden – in Form von ständigen Erdbeben (verschuldet durch die Gravitation des nahenden Mondbrockens, sagt das Skript), Lava-Austritten und zahllosen Feuerbällen (also kleineren Mondstücken), die rings um sie einschlagen. Folgerichtig ist das Observatorium auch bald zerstört, sodass unser Heldenpärchen nun allein und ohne jedes Dach über dem Kopf in der Wüste herumturnt. Das Observatorium besitzt zwar einen Schutzbunker, aber dort wird nur Amandas verletzte Kollegin Carrie geparkt – Steve und Amanda müssen indes raus, da ihnen schließlich die Rettung der Welt obliegt.

Ein paar Ideen haben sie auch schon, und zudem das Glück, dass mitten in der Wüste ein öffentliches Telefon (!) herumsteht, dank dessen sie in der militärischen Katastropheneinsatzzentrale des Landes und auch mal eben schnell im CERN in Genf anrufen können. Der Plan sieht nun sehr grob gesagt so aus: Logan Sawyer soll mit der „Luna 5“ in die Nähe des großen Mondbrockens fliegen und mit freundlicher Unterstützung des Large Hadron Colliders im CERN einen EMP (arrrgh!!) auslösen, der den Brocken von seinem Kollisionskurs ablenkt, während auf der Erde der fürs Katastrophenmanagement verantwortliche General Madden versucht, die Regierungen der Nuklearmächte vom geplanten massiven Atomschlag gegen die steinerne Bedrohung abzuhalten (er erscheint ohnehin fragwürdig, weil laut Blitz-Kopfrechnung von Steve die Sprengkraft von 10 Millionen Hiroshima-Bomben nötig wäre, um etwas zu bewirken – da muss der eine EMP, der hier Abhilfe schaffen soll, aber wirklich mächtig stark sein). Gedacht, gesagt, getan – aber umsonst. Oder fast umsonst: Die Bahn des Mondbrockens wurde um 16 Prozent geändert, aber das reicht nicht, um die Kollision mit der Erde zu verhindern. Der nächste Plan muss her.

Aber auch der ist schnell zur Hand, wenn Genies wie Steve und Amanda mitten in der Wüste am Wirken sind. Hierbei ist hilfreich, dass dank magnetischer Aufladungen durch den EMP ein ganzer Haufen von Satelliten an Logans Raumschiff klebt (ein fröhliches Bild und die einzige bemerkenswerte Idee des Skripts) – deren Schilder sollen nun so ausgerichtet werden, dass sie das Sonnenlicht gebündelt auf den Mondbrocken schießen, um diesen abzulenken oder zu zerstören. So jedenfalls lässt sich das, was da unaufhörlich und mit höllischem Tempo an „Fach“-Geschwafel auf einen einprasselt, in etwa interpretieren. Egal – irgendwie werden es die Helden schon richten: Logan und seine Begleiterinnen Jing und Nina an Bord der schon schwer beschädigten Luna 5 trotz versiegender Sauerstoffvorräte und die Ex-Eheleute mitten in der Wüste, trotz nervender Erdbeben, glühender Lavaströme und fleißig einschlagender Feuerbälle ...

Hier sind wir auch gleich wieder bei einem Kernproblem von Katastrophenfilmen aus dem Hause Asylum oder von artverwandten Buden: Aus schlichtweg wirtschaftlichen Gründen kann das gegebene Szenario nur höchst unzureichend bebildert werden, und die Weltrettung ist nicht etwa ein komplexer globaler Vorgang, sondern eine Angelegenheit, die von ein paar im Ödland (hier: die Wüste) herumturnenden Helden mit Kontakt zu irgendeinem hochrangigen Offizier (in der Regel ein abgewrackt wirkender „General“), der in einer kümmerlichen „Einsatzzentrale“ herumsitzt oder herumsteht, erledigt wird. Das alles ist inzwischen derart zur Routine geworden, dass man selbst als treuer Trash-Fan und Asylum-Komplettist zu einem kritischen Blick neigt – oder zur Resignation, was bedeutet, dass man dem jeweils geschilderten Treiben zwar beiwohnt, aber nicht wirklich involviert ist. So ging es zumindest mir im Fall von Moon Crash, zumal ich auch noch einige konkrete Déjà-vu-Erlebnisse hatte und mich zwischenzeitlich mehrfach fragen musste, ob ich in diesem Herbst nur noch Filmen begegne, in denen irgendwelche Magnetfelder erzeugt oder manipuliert werden, während es Feuerbälle vom Himmel regnet. Mit anderen Worten: Man stumpft ab, wenn man den immergleichen Schotter vorgesetzt bekommt, selbst wenn man ihm grundsätzlich mit Wohlwollen begegnet (und sich diesen Schotter natürlich auch selbst ausgesucht hat wie in meinem Fall – so viel Relativierung muss sein). Wirklich mit dem Herzen und mit voller Hirnleistung war ich hier also nicht dabei. Wie aber soll man auch in diesen Film hineinkommen? Keine der wichtigen Personen wird einem auch nur ansatzweise vorgestellt – wir erfahren von Steve und Amanda lediglich ganz kurz, dass sie einst ein Paar waren (welches sie dem Ersten Hauptsatz der Klischeepflege zufolge am Ende natürlich auch wieder sind ...) und dass Steve und Logan eine innige Bruderliebe verbindet. Und schon stecken sie alle mitten in der dicksten Katastrophe und schwatzen nur noch hanebüchenen pseudowissenschaftlichen Kram daher. Der Zuschauer aber, und das verallgemeinere ich jetzt einmal in der Hoffnung, dass ich nicht als Einziger zu blöd bin, um hier gänzlich durchzusteigen, der Zuschauer also kommt auch inhaltlich schon bald nicht mehr hinterher, weil eben dieser hanebüchene pseudowissenschaftliche Kram nicht nur hanebüchener pseudowissenschaftlicher Kram ist, sondern auch noch mit einem derartig hohen Tempo serviert wird, dass man gar nicht hinterherkommen kann. Dieses Über-Tempo ist ein typisches Asylum-Problem – gut gemeint, aber in der Regel kontraproduktiv. So ist man also relativ gleichmütig dabei, wenn mal wieder CGI-Feuerbälle drei Zentimeter neben den Helden in den Boden krachen, wie mal wieder Magnetfelder hin und her wechseln, wie mal wieder ein EMP erzeugt wird und wie mal wieder irgendein ungepflegt aussehender „General“ an irgendeinem Tisch in irgendeinem winzigen „Einsatzzentrum“ sitzt und sich gelegentlich in reiner Dialogform einmischt. Auf einen Klassiker aus dem Klischeebaukasten verzichtet der Streifen jedoch, und wenigstens dafür sollte man ihm und seinem Skriptautorenteam Lauren Pritchard und Joe Roche auf ewig dankbar sein: Kinder. Tatsache: Moon Crash kommt ohne Spät-Teenies und zu rettende Töchter ® aus. Was es nicht alles gibt.

Visuell hinterlässt der Streifen einen ambivalenten Eindruck. Grundsätzlich macht er mit seinen sauberen Breitwandbildern eine wirklich gute Figur, aber die eingesetzten Computertricks werfen der Optik immer wieder Steine vor die Füße. Dabei gibt es sogar ein paar verblüffend gelungene: Die Bilder des Mondbergwerks und des gestalterisch stark an Star Wars gemahnenden Raumschiffs Luna 5 sehen zweifellos sehr ordentlich aus. Dafür befinden sich Flammen und Lavaströme (ich will zumindest annehmen, dass es Lavaströme sein sollen ...) erneut auf einem grauenhaften Niveau – bei allem, was brennt oder explodiert, sind die Asylum-Trickspezialisten gegenwärtig kaum einen Schritt weiter als zu Zeiten der Firmengründung, und nicht erst seit heute könnte man angesichts ihrer Arbeit meinen, dass sie und ihr Arbeitgeber auch gar kein Interesse an einer Weiterentwicklung haben. Vor allem das immer wieder gezeigte Bild des von ausgetretener „Lava“ eingeschlossenen Wüsten-Observatoriums ist so grottig, dass es den ganzen Film noch ein Stück tiefer in den Keller zieht, in dem er sich ohnehin schon befindet.

Die Darsteller holen ihn da leider auch keinen Zentimeter weit heraus – von ihnen lässt sich kaum Besseres sagen, als dass sie einem nicht auf den Senkel gehen. Aber immerhin: Sie gehen einem nicht auf den Senkel. Sehr blass sind schon einmal Tyler Christopher und Pauline Egan in den beiden Hauptrollen als Steve und Amanda Sawyer, die am ehesten dadurch auffallen, dass sie sich bei jedem „Erdbeben“ entschlossen auf den Wüstenboden werfen. Der ebenso farblose Jamison Jones sitzt als Logan Sawyer die meiste Zeit nur in seinem Raumschiff herum, darf aber wenigstens einmal kurz hinaus in den Weltraum, während sich Jeremy London in seiner Sprechrolle als General Madden nun wirklich kein noch so kleines Stück weit bewegen muss und außer Sprechen auch schlichtweg überhaupt nichts tut. Okay, wenn ich mich recht entsinne, nimmt er einmal einen Telefonhörer in die Hand – ich kann mich aber auch irren. Ganz nett fand ich die rothaarige Alexa Marie Anderson als Amandas junge Mitarbeiterin Carrie, und auch mit Marisha Shine als Logan Sawyers Bordkollegin Nina konnte ich gut leben. Eher unsympathisch war mir indes die zudem leicht lustlos wirkende Jenny Tran als drittes Luna-5-Besatzungsmitglied Jing.

Der Score wirkt zu guter Letzt nicht lustlos, und das ist gut so. Er stammt von Tim Carlos und Mikel Shane Prather, womit möglicherweise ein neuer Name unter den Asylum-Stammkomponisten etabliert wäre, denn der von Tim Carlos ist zumindest mir noch nicht über den Weg gelaufen. Name hin, Name her – fest steht, dass sich die Musik in der Tat ein wenig von dem leidenschaftsarmen Dauergedudel unterscheidet, das man gemeinhin in einem Asylum-Film zu hören bekommt. In seiner Gesamtheit mag er kein Meisterwerk sein und noch immer recht preiswert klingen, aber er bemüht sich um Abwechslung und hat mehrere Passagen im Programm, die mich angenehm überrascht aufhorchen ließen. Das soll auf jeden Fall honoriert werden.

Darüber hinaus, um langsam zum Ende zu kommen, gibt es hier leider herzlich wenig zu honorieren – Moon Crash ist bei allem Bemühen um Kurzweil kaum mehr als ein lausiger und ideenarmer Allerwelts-Asylum-Sci-Fi-Katastrophen-Heuler für die Ramschkiste. Seiner Bestimmung als Mockbuster wird er allerdings beispielhaft gerecht: Tatsächlich weist er in vielen Punkten eine frappierende Ähnlichkeit mit der Emmerich-Vorlage auf (die in den Vereinigten Staaten übrigens drei Tage nach ihm erschien). Angesichts der Qualität dieser Vorlage ist das freilich keine gute Nachricht. Sei’s drum – als Trash-Freund und Asylum-Komplettist kann man Filme wie Moon Crash ohne Groll schlucken und verliert darüber nicht den Glauben an die Zukunft. Ich blicke also hoffnungsfroh dem nächsten Streifen aus David Michael Latts Laden entgegen, auch wenn ich damit rechnen muss, dass mir darin ein getrennt lebendes und wieder zusammenfindendes Heldenpärchen (im Normalfall mit Teenie-Kids und zu rettender Tochter®), wild wechselnde Magnetfelder, gewaltige EMPs, permanent vom Himmel regnende Feuerbälle und ein heruntergekommen wirkender General in einer Zehn-Quadratmeter-Einsatzzentrale begegnen.

(07/22)

Objektiv gute 3 von 10 Punkten.





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