Blutbad im Beton: „Evil Dead Rise“ modernisiert den Dämonenkult
Zehn Jahre nach Fede Álvarez’ furioser Neuinterpretation von „Evil Dead“ erhebt sich die Saga erneut aus dem modrigen Kellerverlies des Horrorkinos – diesmal unter der Regie von Lee Cronin. Schon die bloße Ankündigung von „Evil Dead Rise“ hat bei Fans bebenartige Nachhall-Effekte ausgelöst, schließlich gehört diese Reihe zu den ikonischsten des Genres. Jede neue Iteration muss sich automatisch einer Blutprobe unterziehen, um zu beweisen, dass sie würdig ist, das Erbe von Raimi, Álvarez & Co. weiterzuführen. Und so viel sei vorweggenommen: „Evil Dead Rise“ tut das mit einer Lust am Splatter, die so hemmungslos ist, dass selbst Ash Williams wohl anerkennend nicken würde – wäre er nicht gerade damit beschäftigt, seine Kettensäge zu ölen. Zwar erreicht er nicht die infernalische Intensität des grandiosen Fede-Álvarez-Remakes von 2013 – ein schwer zu toppender Gore-Gigant –, doch „Evil Dead Rise“ liefert einen höllischen, spaßvoll-schaurigen Höllenritt, der zeigt, dass der Dämonenfranchise immer noch pulsierend lebt.
Die Holzhütte, die längst ikonografisch mit diesem Franchise verschmolzen ist, sucht man hier vergeblich. Stattdessen verlegt „Evil Dead Rise“ das unheilvolle Treiben in die urbanen Eingeweide eines abgewrackten Apartmentkomplexes. Keine Fluchtwege, kein Wald, kein Camp – nur Beton, Enge und die unvermeidliche Dämonen-Party direkt vor der Wohnungstür. Diese räumliche Reduktion macht den Film nicht nur intensiver, sondern sorgt auch für einen gänzlich anderen Tonfall: Statt der sonst üblichen Clique aus Freunden, die man emotional guten Gewissens der Kettensäge überlassen kann, steht diesmal eine komplette Familie im Zentrum. Die Mutter, ihre Kinder, die Schwester – und schon bevor das Necronomicon seine Seiten ausbreitet, fühlt sich diese Konstellation verletzlicher, menschlicher an. Die Entscheidung, eine ganze Familie in den Mittelpunkt zu stellen, eröffnet dem Film eine Tiefe, die man im Splatter-Genre nicht unbedingt erwartet. Die Bedrohung ist nicht nur monströs, sondern intim – und dadurch umso schmerzhafter. Zwar folgt der Plot gewissen Genre-Traditionen und bietet kaum narrative Überraschungen, aber das war bei „Evil Dead“ nie das Anliegen. Die Essenz liegt im Schrecken, im Eskalieren, im An-die-Grenzen-Treiben von Figuren und Publikum. Und Cronin versteht diese Mechanik hervorragend.
Cronins Script wirkt wie ein liebevolles, aber zugleich respektlos-freches Dankeschön an das Erbe der Reihe. Von ikonischen Einzeilern über klassische Deadite-Possen bis hin zu expliziten Reminiszenzen an das Original – und doch mit dem Mut, eigene Ideen hineinzuschmettern. Besonders gelungen ist die Balance zwischen morbider Situationskomik und kompromissloser Brutalität. Wie schon im Original und dem Remake reduziert auch „Evil Dead Rise“ den Schauplatz radikal auf eine einzige Location – und genau daraus zieht er seine Intensität. Die Enge des heruntergekommenen Hochhauses wirkt fast klaustrophobisch, jeder Flur ein Tunnel ins Verderben, jeder Fahrstuhlschacht ein potenzielles Grab. Der Film hat zudem ein feines Gespür für Tempo. Er gönnt sich kurze Atempausen, nur um sie im nächsten Moment mit lautem Krachen zu zerschreddern.
Wenn Wände flüstern und Dämonen kreischen
„Evil Dead Rise“ ist von Anfang bis Ende von einem Gefühl des Unbehagens durchzogen, das sich wie kondensierter Angstschweiß auf die Haut legt. Schon die ersten Minuten, in denen sich der Film Zeit nimmt, bevor der Sturm losbricht, zeigen ein regisseurhaftes Feingefühl: Eine Welt, die bereits bröckelt, bevor der Horror beginnt. Dazu kommen die ikonischen Momente, die Fans der Reihe sofort wiedererkennen werden – die grotesken Körperverrenkungen, der sadistische Humor der Deadites, die vertraut dämonische POV-Kamerafahrt, die hier modernisiert und mit urbanem Flair neu interpretiert wird. Cronin streut solche kleinen Referenzen lässig ein, ohne jemals zur reinen Nostalgie-Maschine zu verkommen.
Beim Gewaltgrad langt „Evil Dead Rise“ ordentlich in die Vollen – und ja, „ordentlich“ bedeutet hier: ein Splatterfest, das sich sonntags nicht im Familienprogramm wiederfindet. Es wird zerschnitten, zerquetscht, zerhackt, gespießt, geflutet und gesäubert (natürlich mit Blut, nicht mit Wasser). Cronin lässt es derbst knallen. Der Film wirkt wie eine Hommage an die kompromisslose Brutalität früherer Tage, allerdings technisch auf dem Niveau moderner Genrefilme. Das Finale wird – wie es das Gesetz der Reihe verlangt – zum orgiastischen Höhepunkt des Chaos, inklusive der legendären Kettensäge, die selbstverständlich ihren ikonischen Auftritt bekommt. Sie gehört zu „Evil Dead“ wie Exorzismus zu „Der Exorzist“. In dieser Szene kulminiert der Film endgültig in einem Blutbad, das sich keiner moralischen oder ästhetischen Zurückhaltung verschreibt. Ein großes, rot triefendes Fest für Fans der Reihe. Die Mischung aus klassischem Body-Horror und feinen, detaillierten Make-up-Arbeiten lässt die Besessenen grotesk, ekelhaft und unberechenbar erscheinen. Besonders stark ist der Mix aus Alt und Neu. Eine gewisse Trash-DNA bleibt – zum Glück! – erhalten, doch Cronin verleiht ihr einen zeitgemäßen Glanz, der das Ganze weder zu albern noch zu steril wirken lässt. Kameramann Dave Garbett liefert eine Reihe großartiger Einstellungen, die nicht nur Raimis Handschrift zitieren, sondern sie auf moderne Art variieren.
Die Schauspieler sind durch die Bank überzeugend – und selten war das bei einem Evil Dead-Film so wichtig wie hier. Alyssa Sutherland liefert eine phänomenal körperliche Performance als dämonische Mutter, die mit jeder Bewegung Bösartigkeit versprüht. Ihre Darstellung des körperlichen und seelischen Zerfalls ist mitreißend, furchteinflößend und überraschend nuanciert. Sie balanciert den charakterlichen Kern mit dem völligen Wahnsinn des Deadite-Daseins meisterhaft. Die Kinder sind eine der größten Überraschungen des Films. Sie tragen ihre Szenen mit beeindruckender Intensität. Gerade weil das Drehbuch eine emotionale Grundspannung innerhalb der Familie erzeugt, funktionieren ihre Reaktionen überaus authentisch.
Fazit
„Evil Dead Rise“ ist ein blutgetränkter, visuell beeindruckender und emotional überraschend tiefgehender Beitrag zu einer Filmreihe, die längst Kultstatus genießt. Lee Cronin schafft es, den Geist der Originale und des Remakes einzufangen, ohne in deren Schatten zu verschwinden. Man spürt den Respekt vor der Historie, aber auch den Mut, eigene Akzente zu setzen. Perfekt ist der Film nicht – die Härte und Intensität des Alvarez-Remakes bleibt unerreicht, und nicht jede dramaturgische Entscheidung sitzt zu 100 %. Doch was Cronin liefert, ist ein atmosphärisch hochverdichteter Horrortrip, der sowohl Fans als auch Neulinge packt, schockt und begeistert. Er findet seinen eigenen Ton: düsterer, emotionaler, urbaner – ein blutiges Familienporträt, das zwischen Splatterorgie und Charakterintimität jongliert. Mit exzellenten Effekten, starken Darstellern, unvergesslichen Momenten und einem Finale, das Fans jubeln lässt, ist „Evil Dead Rise“ ein weiterer Beweis dafür, dass dieses Franchise noch lange nicht tot ist – sondern weiterhin voller Energie blutet, schreit und sägt.