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"Ein wahres Verbrechen" aka "True Crime" versteckt seine Kritik schon im Filmtitel: Die Todes-Strafe wird angeprangert. Ob Freund davon oder nicht - hier wird die Materie nicht tiefgründig wie in beispielsweise  "The Green Mile" erörtert. Nein, das wäre die falscheste Erwartungshaltung, mit der man an den Film rangehen könnte. Die Story behandelt zwar  dieses Thema, jedoch wird von Regisseur  und zugleich Hauptdarsteller Clint Eastwood eher versucht, ein packendes Drama zu konzipieren.

Der Film verfolgt zwei Handlungsstränge: Zum einen wird man Frank Beechum (Isaiah Washington) an dem letzten Tag seines Lebens begleiten, den er in der Todeszelle mit Kind und Kegel, Wärtern, Steak mit Pommes und Priestern verbringt, bevor er um Mitternacht per Giftspritze hingerichtet werden soll. Zum anderen parallel dazu den Tag von Reporter Steve Everett (Eastwood), der durch Zufall das Interview mit Beechum führen darf und riecht, dass wahrscheinlich ein Unschuldiger hingerichtet wird.

Die reale Zeit beträgt einen ganzen Tag, und Eastwood versteht es geschickt zwischen den beiden Ebenen zu wechseln. Schon beim ersten Anblick des Todeskandidaten Beechum steht für den Zuschauer blinkend das Wort "unschuldig" auf der Stirn. Beechum war zwar in seiner Jugendzeit nicht der nette Junge von nebenan - er hat neben Körperverletzungen und weiteren kleineren Raub-Delikten seine Akte auf dem Revier dick gemacht, aber durch das Kennenlernen seiner jetzigen Frau Bonnie (Lisa Gay Hamilton) wurde er zum Glauben Gottes bekehrt und zeugte mit ihr eine Familie, erworb eine Immobilie und führte dementsprechend ein normales Vorstadtbürgerleben.
Everett hingegen ist das genaue Gegenteil von dem "guten" Beechum: Wenn er nicht gerade besoffen ist, vögelt er sich durch die Gegend (bevorzugt werden Frauen seiner Mitarbeiter). Trotz alledem hat er aufgrund seiner flotten Sprüche und Zweiflung an der Schuld des Verurteilten alle Sympathien auf seiner Seite.

Obwohl Eastwood fast gänzlich auf Soundtrack oder treibenden Score verzichtet, liegt die Spannung vom Anfang bis zum Ende in der Luft. Klar, ein Spaziergang mit seiner Tochter im Zoo wirkt im Bezug auf das Finale (in denen die Sekunden zählen) deplaziert, aber seine Ermittlungen schleppen sich, aufgrund seiner Befragungen an Zeugen (die gott sei dank wenigstens an diesem Tag beispielsweise nicht verreist waren), träge dahin, da auch diese Personen erstmal Zeit haben müssen. Für mich ist das ganz überzeugend, da seine einzigen Antriebe in seinem vergammelten Leben Gerechtigkeit und seine Familie darstellen - vom Lümmel in der Hose mal abgesehen. Abwechslung vom "Alltag" bieten die Wortwechsel mit seinem Chef Alan Mann (James Woods, den ich seit "Auf die harte Tour" nicht mehr so als zynisches Feuerwerk erlebt habe), Szenen - die zwar total genial sind, aber die Gefahr begehen, den Ernst aus dem Thema zu nehmen.

Von Hoffnungslosigkeit geprägt, verinnt immer mehr Zeit, Beechum und Everett sind fast parallel ausgelegt - der eine steuert auf seinen Tod zu, der andere immer mehr auf den Abgrund seiner Existenz, bei der Familie, das Zuhause und der Job auf dem Spiel stehen. Bis DAS kleine wichtige Indiz auftaucht...

Klar, der ganze Film ist Hollywood-like runtergekurbelt, Kumpel Zufall spielt eine enorme Rolle, aber davon abgesehen liefert Eastwood mit "Ein wahres Verbrechen" einen genialen Thriller ab. Was diesen Film in meinen Augen besonders hervorhebt ist die perfekte Mischung aus Thriller, einer großen Portion Zynismus und sehr berührenden Szenen eines Drama´s. Und das hebt ihn aus der Masse hinaus.

Ein klasse Film, mit Bruce Willis´ Charakter  (Last Boy Scout, "Joe Hallenbeck") hätte er sogar die Höchstwertung verdient. Den schmierigen, versüfften, rauchenden Charakter, der sich nur noch durch´s Leben wurstelt, hätte wohl keiner besser darstellen können. Aber Eastwood ist eben Eastwood und hat den Charakter (fast) genauso drauf. Ein Film, den ich mir immer wieder anschauen kann.

9/10

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