Review

Falls man sich während der Sichtung des vorliegenden Dramas fragt, wann die titelgebende Regel 34 zur Sprache kommt, - gar nicht. Jenes Internet-Meme besagt grob, dass es von allem Existierenden eine pornographische Version gibt. Existiert sie nicht, befindet sie sich in der Entstehung.

Rio: Simone (Sol Miranda) absolviert ein Studium als Anwältin, welches sie sich durch den Betrieb einer Sex-Cam finanziert. Während sie bei einer Anlaufstelle für unterdrückte Frauen tätig ist, findet sie zunehmend Gefallen an BDSM-Praktiken…

Regisseurin Júlia Murat fokussiert sich auf zwei Themen, die im wahren Leben höchstwahrscheinlich kollidieren würden, sobald heraus käme, dass sich eine Anwältin für dubiose Praktiken online zur Verfügung stellen würde. Mit diesem vermeintlichen Kontrast spielt die Erzählung eine ganze Weile. Auf der einen Seite gibt es einige Vorlesungen mit anschließenden Diskussionen der Kommilitonen über von Patriarchen ersonnene Rechtssysteme und angrenzende Themen wie Rassismus, Feminizid und Unterdrückung im Allgemeinen. Auf der anderen das Austesten sexueller Grenzgebiete in Simones Freundeskreis, indem augenscheinlich alle Bi sind.

Worauf die Chose hinauslaufen dürfte, kristallisiert sich recht früh heraus. Da geht es um Selbstbestimmung, Macht und Kontrollverlust und obgleich auch zuweilen provokante Aspekte wie ein Verbot von Prostitution angerissen werden, tingeltangelt die Chose weitgehend emotionslos vor sich hin und liefert nur in den Passagen dramatischen Stoff, sobald betroffene Frauen von ihrem jeweiligen Schicksal der Unterdrückung und Gewalt berichten.
Im laschen Gegensatz dazu spielen die jungen Juristen in ihrer Freizeit mit glühenden Zigaretten oder abgebrochenen Trinkgläsern, wobei nur selten das Gefühl entsteht, dass dabei Grenzen überschritten werden.

Die nicht vorhandene Einvernehmlichkeit ist von daher ein weiteres Manko dieses Kontrastes: Wenn sich Menschen in ihrer sexuellen Freizeit gegenseitig würgen oder die Haut anritzen wollen, lässt sich dies schwer mit unterdrückten Frauen oder gar Kindern durch gewalttätige Männer in Einklang bringen. Dass Simone hierbei immer noch einen Schritt weiter geht, indem sie bei Chats persönlicher und intimer wird, ändert hieran nichts. Wobei die finalen Szenen immerhin ein wenig Suspense generieren, was ansonsten rein gar nicht vorhanden ist.

Denn die Erzählung besteht aus fragmentartigen Momentaufnahmen, die jeden dramaturgischen Faden vermissen lassen. Dazu jede Menge Füllmaterial: Im Hintergrund spült jemand Geschirr ab, während vorne Pakete nach einem Umzug ausgepackt werden. Zwei Frauen singen zu aktueller Popmusik und lackieren sich die Nägel. Vier Leute suchen etwas im Netz und freuen sich über den entsprechenden Fund. Alles null und nichtig.
Treffend hierzu bleibt die Kamera zumeist statisch, während die Musik allenfalls im Hintergrund erklingt und keinerlei Emotionen schürt.

Das ist schade um die stark aufspielende und jederzeit authentisch wirkende Hauptdarstellerin Sol Miranda, die hiermit ihr beachtliches Debüt gibt. Zwar regt der Stoff phasenweise zum Nachdenken an, doch jene Ansätze verspielt er sogleich wieder, indem er zu völlig redundanten Inhalten übergeht und, bis auf die letzten Einstellungen, nie auf den Punkt kommt.
Knapp
3 von 10


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