Das Hudson Valley im Bundesstaat New York, 1830: Der Constable Augustus Landor, der seit einer persönlichen Tragödie dem Alkohol verfallen ist, wird an die Militärakademie in West Point bestellt, um einen merkwürdigen Fall zu untersuchen: Der Leichnam eines Kadetten, der sich allem Anschein nach selbst erhängt hat, wurde geschändet, indem man ihm das Herz aus der Brust geschnitten hat. Augustus kommt schnell dahinter, dass es sich bei dem vermeintlichen Suizid in Wahrheit um einen Mord gehandelt hat und holt sich Unterstützung bei seinen Ermittlungen durch den jungen Kadetten Edgar Allan Poe, der als angehender Dichter einen Hang zum Morbiden hat. Nachdem eine weitere Leiche auftaucht, die auf identische Art und Weise verstümmelt wurde, ist klar, dass da ein Killer in West Point umgeht, der offenbar plant, mit den herausgeschnittenen Herzen ein okkultes Ritual zu veranstalten. Poe selbst verliebt sich derweil in die kränkelnde Arzt-Tochter Lea und bändelt mit dieser an... in dem Wissen, dass deren Bruder Artemus irgendwie in die Angelegenheit verwickelt zu sein scheint und auch ein patenter Verdächtiger ist... Der hierzulande auf "denkwürdige" Art umbetitelte "The Pale Blue Eye" ist nicht der erste Film, der sich an biografischen Eckdaten des Schriftstellers Edgar Allan Poe orientiert und diesen als Figur in einer Genre-affinen Handlung auftreten lässt... was wohl bedeutet, dass ein Stephen King in 150 Jahren von jetzt an sicherlich auch das eine oder andere gruselige fiktive Abenteuer erleben wird, wetten? Anders als der mit splatterigen Versatzstücken aufgemotzte, pulpige Serienkiller-Streifen "The Raven - Prophet des Teufels" von 2012 kommt Scott Coopers "Der denkwürdige Fall des Mr Poe" jedoch etwas anspruchsvoller und gediegener im Gewand eines Historien-Krimis à la "Der Name der Rose" daher, der zwischendurch zudem auch oft und ausgiebig in die Gefilde eines reinen Dramas abdriftet. Zwei Aspekte der Angelegenheit sind dann auch auf den ersten Blick recht bemerkenswert: Zum einen die in sagenhaft trostlosen Bildern eingefangene, frostige Szenerie, in der die Geschichte spielt... und zum anderen die namhafte Besetzung, die da durch die Bank Höchstleistungen abliefert und anhand derer man erkennen kann, was einen Christian Bale - der sich was seine Leinwand-Auftritte anbelangt ja gerne mal etwas rar macht - fast zwanzig Jahre nach "The Machinist" mal wieder an einem "kleineren" Genre-Streifen gereizt haben dürfte. Das wahre Performance-Highlight liefert dann aber doch Harry Melling als Edgar Allan Poe, der es im Zusammenspiel mit Bale doch glatt schafft, diesem jede einzelne gemeinsame Szene unter der Nase wegzustehlen. So gibt es hier schauspielerisch und atmosphärisch auch wirklich nichts zu bekritteln, düsterer sieht die Angelegenheit dann aber doch aus, wenn man einen Blick auf die kaum forcierte Thriller-Handlung wirft, die da recht spannungslos und gemächlich vor sich hinplätschert und schlussendlich in einem an das eigentliche Finale angetackert wirkenden, vierten Akt in eine Auflösung mündet, die den Betrachter düpiert und unbefriedigt zurücklässt. Unterlaufene Zuschauer-Erwartungen sind eine Sache... rückblickend betrachtet dann aber bewusst nochmal Sinn und Logik über Bord zu schmeissen eine ganz andere! Und wo ein "Der Name der Rose" immerzu auch ein Auge ein Auge auf die Thriller-Aspekte des Plots gehabt und diese gleichberechtigt neben dem Zeitkolorit des Historien-Settings entwickelt hat, werden diese von Cooper viel zu lasch gehandhabt, was letzendlich nur Langeweile und Desinteresse hervorruft. Fazit: Für ein Schauermärchen nicht schaurig genug und als Whodunit?-Krimi schwach konstruiert... dafür aber immerhin Schauspiel-Kino par excellence, nur welcher Genre-Fan legt darauf gesteigerten Wert? Schade, zwischen alle Stühle gesetzt...
6/10