Ein Mandarinentraum
„How To Blow Up A Pipeline“ basiert auf dem gleichnamigen Roman und setzt seine Stimmung, Vibes und Themen exzellent und intensiv auf die Leinwand um. Erzählt wird zeitlos irgendwo zwischen Zimmer und Tangerine Dream, zwischen „Lohn der Angst“ und „Nocturama“ von einer Gruppe amerikanischen Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, die jeder allesamt auf ihre Art von dem Klimawandel, der industriellen und kapitalistischen Gier der Großkonzerne und unserer unfairen Welt gezeichnet sind - und sich dann zusammenrotten, um (recht amateurhaft, aber mutig) eine fette Ölpipeline zu sprengen und die Wirtschaft so zu schädigen und die Welt wachzurütteln…
Walther Sprite
Eigentlich schreit hier alles „A24“, aber die aufstrebende Indieproduktionsfirma ist hier ausnahmsweise mal nicht am Zug. Dennoch brilliert dieser Kritikerliebling anspruchsvoll und vor allem atmosphärisch enorm. Das Tempo ist nicht das höchste, die Anspannung (nicht zuletzt durch den brandheißen Sound und auditive Ambienthölle) ist aber immer da. Die jungen Darsteller wirken frisch, natürlich und ungeschönt. Selbst wenn das geschulte Filmfanauge einige dann doch schon kennt. Ihre Figuren sind nicht perfekt, sehr kantig, instinktiv, mit dem Rücken zur Wand und manchmal schwer zu greifen, zu verstehen, nachzuvollziehen. Die Bilder aus Wüste und Industrierandbezirken erinnern manchmal etwas an „Breaking Bad“ in hoffnungsloser. Spätestens nach den letzten Bildern kann sich jeder seine eigene Meinung zum Thema machen und allzu klar bezieht das Teil für mich nicht Stellung. Was in Ordnung ist und zur Ambivalenz beiträgt. Das Thema betrifft uns alle, Umsetzung und Figuren sind durchaus radikal, wer auf Mann („Thief“) oder Friedkin („Sorcerer“) steht, bekommt hier ein Pendant dazu aus dieser Generation. Der letzten Generation? Sicher nicht. Dennoch haben wir allen Grund zum Schwitzen.
Fazit: atmosphärisch und musikalisch heißer Scheiss. Thematisch ebenso. Legt sich (feige?) recht wenig fest. Erzählerisch und charakterlich etwas zäh und (zum Teil beabsichtigt) unsympathisch. Dennoch schwitzig, rebellisch und diskussionswürdig. Ein Spannungsvehikel unter Druck und mit Wut im Bauch.