2,5 Tonnen verwendetes Blut, ein Bodycount von 57 und eine satte Laufzeit von knapp 123 Minuten - Wer diese Zahlen liest, kann sich wahrscheinlich im Gedanken schon ausmalen, dass bei dem betreffenden Film, der mit diesen Angaben beworben wird, keine Gefangenen gemacht werden und Zuschauer, die härtere Genrekost bevorzugen, wahrscheinlich auf ihre Kosten kommen können. Dann gab es Meldungen im Vorfeld, dass nach mehrmaliger Vorlage bei der FSK eine uncut Veröffentlichung in den deutschen Kinos zu erwarten ist und der hammerharte Trailer erledigte den Rest, fertig war der typische Brutalo-Hype der Marke "Ich kenne einen Film und der ist so was von krass, den musst Du gesehen haben!" Die Rede ist vom koreanischen Science-Fiction-Splatter-Actioner Project Wolf Hunting, der im Mai 2023 in den deutschen Lichtspielhäusern lief und seit geraumer Zeit auch ungeschnitten auf den gängigen Video-on-Demand Plattformen zu sehen ist. Die Frage ob der Film das hält was er verspricht, lässt sich mit einem klaren ja beantworten: 2 Stunden Dauer Gemetzel der rabiatesten Sorte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wer damit klar kommt, dass es sonst nicht viel Erwähnenswertes gibt, wird wahrscheinlich gut unterhalten werden, bei allen anderen kann sich schätzungsweise mit fortlaufender Filmdauer auf Grund der Monotonie der Ereignisse Ernüchterung breit machen...
Project Wolf Hunting wurde am 16. September 2022 in der Sparte "Midnight Madness" beim 47. International Film Festival in Toronto uraufgeführt und ist "das Baby" von Kim Hong-Seon, der die Regie übernahm und das Drehbuch alleine verfasste. Neben den im westlichen Raum größtenteils unbekannten asiatischen Darstellern sind In den Hauptrollen Seo-In-guk als tätowierter, wahnsinniger Killer und Jang Dong-yoon als spätere Heldenfigur zu sehen. Die Handlung spielt auf einem riesigen Frachtschiff, auf welchem 47 Schwerverbrecher von den Philippinen nach Südkorea ausgeliefert werden sollen. Trotz schwer bewaffneter Gesetzeshüter gelingt es einigen gemeingefährlichen Sträflingen eine blutige Revolte zu entfesseln. Während die Kämpfe zwischen den Cops und den Aufständischen toben, bricht über die gesamte Besatzung von einer Sekunde auf die andere jedoch eine ganz andere Art von Bedrohung herein, die alles bisher dagewesene in den Schatten stellt und schlimmer ist, als jeder existierende Albtraum...
Eins muss man Project Wolf Hunting auf jeden Fall lassen, er ist zumindest keine Mogelpackung. Hier bekommt der Zuschauer das zu 100 % serviert, was die Werbung verspricht. Dabei können aufmerksame Filmfreunde einige offensichtliche Inspirationsquellen erkennen, bei denen sich der Kopf des Projektes Kim Hong-Seon anscheinend bedient hat und die für den munteren Genremix mit verantwortlich sind. Auf den Pfaden von Alarmstufe Rot (1993) macht sich Project Wolf Hunting die beengten Kulissen des gigantischen Frachtschiffes zu Nutze, um sein Actionfeuerwerk abzufackeln und bei der abgezählten Horde an Schwerkriminellen, die bei ihrer Überführung außer Kontrolle geraten, musste ich unweigerlich an Con Air (1996) denken. Die pausenlosen, meist mit Stichwaffen vorgetragenen Martial-Arts Kämpfe und die ausufernden, blutigen Shoot-Outs werden mit rabiaten Splatter-Einlagen gekreuzt, so dass das sich The Raid (2011), The Night comes for us (2018) und The Story of Ricky (1991) angesprochen fühlen dürfen. Wer den Trailer aufmerksam verfolgt hat und in den ersten zwanzig Minuten des Films zwischen den Zeilen gelesen hat, wird von der bemüht überraschend eingestreuten Science-Fiction Wendung, die den Streifen ab ca. einer Stunde in futuristische Bahnen lenkt, nicht überrumpelt. Auch hier versucht es Kim Hong-Seon erst gar nicht, seine Vorbilder wie beispielsweise Terminator oder Predator zu verschleiern. Doch keine Angst, liebe Anhänger des grenzenlosen Gemetzels, Project Wolf Hunting nimmt nicht den Fuß vom Gaspedal und legt sogar noch einmal eine Schippe drauf, was Action und schonungslose Brutalität angeht. Technisch befinden wir uns im guten bis sehr guten Bereich, denn bis auf eine etwas schlecht getrickste CGI-Einstellung (Stichwort Messer durch die Backe) bekommt das Publikum eine ordentliche Mischung zwischen Computer unterstützten und handgemachten Splatter-Effekten geboten.
Alles Roger in Kambodscha? Nicht ganz, denn auch wenn sich das alles gar nicht mal so schlecht anhört, hat Project Wolf Hunting mit dem ein oder anderen, teilweise gravierenden Manko zu kämpfen. Der Anfangs relativ hohe Unterhaltungswert, der aus der blutigen und temporeichen Action resultiert, kann nicht über die komplette Distanz gehalten werden, da die eintönigen Szenenabläufe fast immer die selben sind und kaum Abwechslung geboten wird, wozu auch die viel zu lange Filmdauer von über 2 Stunden ihren Teil beiträgt. Irgendwann hat sich das ermüdete Publikum einfach an den sinnlos zermatschten Visagen und dem blutigen Gesabbere satt gesehen und eine fesselnde Geschichte, oder eine Hauptfigur, mit der man mitfiebern kann, ist quasi nicht existent. Mir war das ganze dann auch zu chaotisch, weil man gar nicht mehr richtig mitbekommen hat, wer jetzt gegen wen kämpft bzw. wer wem den Schädel einschlägt. Zudem überzeugt der wirklich gut gemeinte Wechsel in den Science-Fiction Bereich trotz des temporär unterhaltsamen Trashfaktors auf Grund seiner Abenteuerlichkeit nicht vollends und die nachgeschobenen, halbgar erscheinenden Erklärungsversuche am Schluss können dieses eingeschränkt zufriedene Resümee auch nicht mehr verhindern. Die Spannungskurve von Project Wolf Hunting lässt sich in ungefähr so beschreiben: "Stellen Sie sich vor, Sie begeben sich auf einen stundenlangen Abstieg von einem hohen Berggipfel. Sie sind kaputt und fertig und In dem Tempo, in dem sie runter wandern, nimmt auch das Interesse an Kim Hong-Seons Schlachtplatte ab. Da Sie am Schluss auch froh sind, wenn Sie endlich im Tal sind, dürften Sie auch nicht traurig sein, wenn der Abspann des sich in der letzten halben Stunde wie Kaugummi ziehenden Project Wolf Hunting erreicht ist.
Schauspielerisch kann man den Akteuren aus Fernost eigentlich relativ wenig vorwerfen, denn für die größtenteils austauschbar und eindimensional geratenen Charaktere können sie ja im Prinzip nichts dafür. So erfüllen die meisten von ihnen Ihren Zweck, dass der dargestellte Filmcharakter irgendwann im Laufe der Handlung blutig ins Gras beißen darf, viel mehr bleibt von Ihnen jedoch nicht im Gedächtnis hängen. Die einzigsten erwähnenswerten Ausnahmen sind Seo In-Guk, der in seiner Heimat so eine Art Popstar ist und den durchgeknallten, sadistischen, tätowierten Oberschurken mit viel Elan und Esprit nachhaltig verkörpert und Park Ho-San, der als erfahrener Polizist Leo Seok-woo die ein oder andere charakteristische Szene spendiert bekommt und mit dem geisteskranken Killer noch ein Hühnchen zu Rupfen hat, was zu vereinzelten unterhaltsamen Dialogen bzw. Sequenzen führt. Für die spätere, elementare Bedeutung seiner Rolle ist mir persönlich Jang Dong-yoon etwas zu blass geblieben und Choi-Gwi-hwa macht sich als Zombie-Terminator-Verschnitt Alpha selbst zum Horst, wobei auch er wohl eher ein Opfer seiner missglückten Figurenkonzeption bzw. seines merkwürdigen Outfits geworden ist.
Aus 2 Stunden Project Wolf Hunting konnte ich die primäre Erkenntnis mitnehmen, ein auf den ersten Blick beeindruckendes, handwerklich einwandfrei umgesetztes und anfangs auch kurzweiliges Splatter-Massaker gesehen zu haben. Meine Faszination und mein Interesse am Gesehenen schwanden allerdings aus besagten Gründen mit fortlaufender Dauer, so dass der Streifen als One-Timer Unterhaltung gerade noch funktioniert, für weitere Sichtungen kommt Project Wolf Hunting allerdings nicht in Frage. Und das mir auf Anhieb nahezu kein einziger, zitierungswürdiger Schlüsselmoment einfällt, der wirklich im Gedächtnis geblieben ist, spricht ohnehin Bände. MovieStar Wertung 4/10 Punkte.