Menschen verharren oder Menschen bewegen sich, auf der Suche nach Etwas, dass sie ausfüllt, auf der Suche nach Leben, nach sich selber, nach Antworten, auch auf Fragen, die ungestellt sind oder ungestillt oder die sowieso nicht beantwortet werden können, die manchmal bewusst kommen oder unbewusst in einem sind. Hier wird beides, verharrt und sich bewegt, der Gang aus sich hinaus und der Weg in sich hinein, eine Wanderung unternommen, das erste Bild ein fahler Wald, die ersten Töne das raschelnde Laub und das Geräusch eines Tieres, ein Bach scheint auch zu rauschen, unsichtbare Vögel zwitschern. Die Natur atmet, auch ohne den Menschen in ihm, es braucht ihn nicht, fast stört er nur, eine Waffe in der Hand, ein Schleichen durch die Gegend:
Joseph Chambers [ Clayne Crawford ], ein Versicherungskaufmann, ist in die Heimat seiner Frau Tess [ Jordana Brewster ] gezogen, wo man auch die beiden Kinder aufzieht. Eines Morgen und dies auch 'angekündigt', aber nicht wirklich abgesprochen mit seiner davon überhaupt nicht begeisterten Frau, macht sich Joseph nach einiger Vorbereitung zum wäldlichen Grundstück seines Freundes Doug [ Carl Kennedy ] auf, mit dem und dessen Kumpels er schon öfters vor Ort und dies vornehmlich zur Hirschjagd war, nun aber alleine das Terrain erkunden möchte. Er leiht sich von Doug das Gewehr und den für das Gelände besser geeigneten Wagen, und fährt noch vor Tagesanbruch los.
Wie für einen Siebziger Jahre Film sieht der Schriftzug des Titels aus, die Anordnung der Buchstaben, die Positionierung, die Aussage darin, die Verkündung. Der Mann im Bild redet mit sich selber, er redet mit sich im Spiegel, er übt etwas ein, er wiederholt die Wörter, er bleibt bei der Betonung. Es ist seine Art der Vorbereitung, er hat etwas vor, was, das weiß man noch nicht, das hält der Film uns vor. Eine Reise in das Ungewisse, in die körperliche Anstrengung und die seelische Versehrtheit bereitet die Inszenierung, der Mann ist auch gar nicht allein, wie man meinen könnte, ein Spiel mit Ahnungen und Vermutungen, mit Beobachtung und Wahrnehmung, mit dem Täuschen des Zuschauers und mit diesem als Begleiter.
Der Mann hat eine Frau in seinem Leben, und diese ist von dem Vorhaben nicht begeistert, sie wirkt nicht unterstützend, sondern warnend, sie macht sich Sorgen, die er nicht hat oder er nicht zeigt. Die Gespräche ergeben sich aus der Alltäglichkeit und aus der Notwendigkeit, sie skizzieren die Personen und ihr Verhalten, ihre Bindung zueinander, ihre Herkunft, die Unterschiedlichkeit. Die Worte hier und die Weise, wie man sie ausdrückt, wie sie gesprochen werden und wie und wann man gestikuliert, bringen einen näher an die Personen, sie klären seine Idee dahinter und ihre Befürchtung. Sie wird lauter, eigentlich ist sie lauter von Beginn, er bleibt beim Flüstern, beide beharren auf ihrer Meinung, es wird kein Kompromiss gefunden, es ist ein Durchsetzen des Willens, der Eine gegen den Anderen. Es wird sich verabschiedet, von der Frau und von den Kindern. Ein Abenteuer wird hier gesucht und ein sich Beweisen, sicher auch eine Auszeit, auch wenn nur für einen Tag, manchmal reicht das. Es soll nur ein Tag dauern, Morgens in der Frühe raus, Abends vor Untergang der Sonne wieder rein. Die Unsicherheit ist von Anfang an, es wurd' aber so entschieden, eine Strecke angefangen, wo die Umkehr weiter scheint als das Vorwärts, der Film hat bereits begonnen, die Geschichte startet nicht mit dem Gespräch zwischen Mann und Frau, sie bekommt dort nur spezielle Umrisse, ihre ganze eigene Form.
Das Geschehen und die Ereignisse kommen oft in den Bildkader und bleiben dann dort, die Kamera selber bleibt meist still, manchmal meint man eine andere Perspektive zu erkennen glauben, werden aber andere Orte in Augenschein genommen, ein Abschied und ein Ankommen. "Godspeed" wird hier gewünscht, das kann erstmal alles Mögliche auf Deutsch bedeuten, es gibt verschiedene Übersetzungen zu verschiedenen Anlässen und Zeitpunkten, es gibt hier auch eine einfache Erzählung, mit mehreren Ebenen. Sorgsam wird das gefilmt, ein Platz ist alleine anders als in Begleitung, er wirkt bei Dunkelheit anders als bei Sonnenschein, es wird hier mehr gezeigt und gehandelt als erklärt, man sieht bei Zusehen schon die Unstimmigkeiten, man versteht die Befürchtungen der Ehefrau, man versteht den Mann und seinen Trieb. Die Waffe ist bloß geborgt, das Auto auch, die Munition ist heimlich gekauft, man ist nicht routiniert, man probiert die Dinge aus. Im Wald gerät der Mann ins Stocken, die Kamera dafür in Bewegung, Diskrepanzen werden aufgezeigt, das Unwohlsein breitet sich aus, man ist stiller und ferne Begleiter, man beobachtet nur, man greift nicht ein, man hilft nicht (r)aus. Zwischendurch gibt es Verfremdungen und Merkwürdigkeiten, bei dem ersten wichtigen Schritt des Tages, dem Ankommen des Hochsitzes und dem Erklimmen dessen, brandet doch tatsächlich Applaus auf der Tonspur sich aus, vorher gab es nur Flora und Fauna (gedreht wurde bei und in Pell City, "Gateway to Logan Martin Lake", St. Clair County, Alabama) zu hören und Stille oder Dissonanzen, hinterher auch. Crawford (welcher auch produziert, aber bspw. auch als Set Designer hier tätig war und ein Großteil seiner Familie involviert) ist wahrscheinlich der beste Darsteller für die Handlung, er war der beste Darsteller für den Riggs in Lethal Weapon, eine gewisse Simplizität, eine Unschuld, aber eine spezielle Gefährlichkeit auch, eine Normalität mit mehreren Schichten, ein Ziel verfolgend, aber dennoch dieses und sich selber aus den Augen verlierend. Eine Natürlichkeit, eine Harmlosigkeit und trotzdem eine Gefährlichkeit ausstrahlend, je nach Einstellung hier und je nachdem, was und wie viel man wo von ihm sieht; ein kleiner großer Junge, ein großer kleiner Mann, fantasiebegabt ist er auch, er erlebt für sich selber seine längst unerfüllten Träume aus.
Ein eventuelles Jagen und Erledigen von Wild und Versorgen der eigenen Familie wird da schnell zweitrangig, man hat die Gerätschaften dafür anbei, ist aber nicht der Typ. Es wird sich die Zeit mit anderen Dingen vertrieben, das erste Getier sieht man dann eher zufällig, weit entfernt auch, man spurtet ihm hinterher. Crawford bespielt die Szenerie meist alleine, seine Figur wird nicht umsonst im Titel genannt, ein Theaterstück im Wald, ein Profil auf einer riesigen Bühne, die irgendwann nur noch gleich auszusehen droht oder zumindest so gehalten ist, dass eine Orientierungslosigkeit zwangsläufig eintritt, gerade bei dem spontanen, oft improvisiert wirkenden, der Eingebung folgenden Verhalten. Scheinbar die Kurzfassung von Into the Wild, eine andere Form von Butcher's Crossing, eine tragische Vorwegnahme des ebenso tragischen Verschwindens von Julian Sands, eine Zufälligkeit nur, eine kurze Ablenkung und man hat den Fokus verloren wie ein Kompass, der aussetzt und nicht mehr funktioniert, wie ein Lebensabschnitt, indem man sich fragt, wie es nun weitergeht, ob es weitergeht, ob das schon alles war, und was nun passiert. Dann fällt ein Schuss, in der Weg zurück ist nicht mehr das Problem, er wird gefunden, aber er ist trotzdem versperrt.
Vorher ist man einmal aus einem Schläfchen erwacht, hat einen Traum auch gelebt, eine Fantasie, jetzt ist man in einem Albtraum, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt. Stark gespielt, realistisch umgesetzt, unaufdringlich behandelt, mit viel Verständnis für alle Figuren, ein Drama mit Schuld und ohne Schuld, ein Psychkonsil, lange und lange entfernte Einstellungen, zur Hälfte etwa blickt man der Person des Joseph Chambers erst so richtig in das Gesicht, dann geht die Problematik erst so richtig los. Einige Themen werden nebenbei angesprochen nur, das Phänomen des Preppens, Aussteigertum, die gesetzliche und die moralische Verantwortung, das Gefühl, dass die Welt vor die Hunde geht, allgemein und ganz speziell. Und was würde man selber tun. Plötzlich auf das Menschsein zurückgeworfen, würde man sich auch verhalten wie einer? Es geht um Entscheidungen, und darum, wie viel ein anderer Mensch so wiegt.