Review

Unschuld und Reinheit werden zwiebelgleich abgetragen...

In diesem höchst berüchtigten Werk von Luis Bunuel - welches noch brisanter wird, wenn man seine persönlichen Querelen und Skandale kennt - folgen wir der jungen Tristana, die nach dem Tod ihrer Mutter von ihrem Vater aufgenommen wird, zu dem sie bisher keinen Kontakt hatte. Doch schnell stellt sich heraus, dass der großspurige Lebemann mit hohem Rang und Ansehen und viel Macht weitaus bösere und sexuellere Absichten gegenüber seiner Tochter hat und diese sogar zur Frau nimmt...

Familie als Geißel des Anstands

Catherine Deneuve spielt die Tristana verblüffend und mit einer erstaunlichen Bandbreite, Tiefe, Entwicklung - von Naivität bis purem Hass und Rache. Die erdig-kühlen Farben, die inzestuösen Themen und der allgemeine Sittenverfall der Gesellschaft, erst recht bei der Oberschicht, werden von Bunuel hier komplett schonungslos aufgetischt ohne jegliche Abstriche, Kompromisse oder Bedenken zu Folgen. Für seine Filmfiguren - aber auch für ihn in der Realität. Und das, obwohl Bunuel gerade erst in seine Heimat zurückgekehrt war und er mit "Tristana" auch der Stadt Toledo eine sagenhaftes Denkmal setzt. "Tristana" sieht unfassbar gut aus und hatte mich allein visuell dermaßen am Schlafittchen, dass der Rest des Werks von alleine lief und mein Interesse locker hochhielt. Die Männer sind hochnäsig, von vorgestern und fies. Franco "Django" Nero als Ausnahme in einer tollen Nebenrolle. Die Reinheit der Mädchen und Frauen hält nicht sehr lange. Das ist noch immer schockierend, niederschmetternd und desillusionierend. Und das von Bunuel... oder gerade von ihm, wenn man es mal richtig durchdenkt. "Tristana" ist ein längst verfaultes Sittengemälde. Null hoffnungsvoll. Dafür umso wütender und brodelnder. Unterbewusstsein und Unbehagen. Ein Skandalfilm, sicher nicht nur um des Skandals Willen. Zeitlos und krank.

Schlumpfmütze und Teufelsfratze

Fazit: elegant, erdig, pervers und persönlich, böse und bitter... "Tristana" ist - obwohl eher ein Alterswerk - ein idealer (und nicht zu surrealer!) Einstieg in Bunuels Schaffen und Gedankenwelt. Erschütternd und packend. Böser die Glocken selten läuteten.

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