iHaveCNit: Der Vermessene Mensch (2023) – Lars Kraume – Studiocanal
Deutscher Kinostart: 23.03.2023
gesehen am 26.03.2023
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema – Studio – Reihe 2, Platz 5 – 20:45 Uhr
Das deutsche Kino nimmt sich mit regelmäßiger Häufigkeit gerne historischen Themen an und arbeitet da vorwiegend die Zeit um die 2 Weltkriege und auch die Zeit der DDR auf. Doch ein durchaus wichtiges, historisches und dunkles Thema der deutschen Geschichte ist noch kein Bestandteil im Repertoire deutscher Historiendramen und Historienfilme – die deutsche Kolonialgeschichte. Und hier bin ich kein vermessener Mensch wenn ich die Annahme treffe, dass genau das längst überfällig ist. Trotz einigem nicht genutzten Potential ist Lars Kraumes „Der Vermessene Mensch“ zumindest ein guter Anfang, dem hoffentlich einige weitere Filme diesem Beispiel folgen werden.
Alexander Hoffmann arbeitet im Bereich der Ethnologie an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin. Im Rahmen der „Deutschen Kolonial-Ausstellung“ darf er an der dafür eingereisten Delegation der Stämme der Herero und Nama aus den Kolonien von Deutsch-Südwestafrika seinen Studien nachgehen, um an den Studienergebnissen die Theorien des Kaiserreichs zu Rassentheorien zu stützen, doch je mehr er vor allem der Übersetzerin „Konuoje“ Kezia Kambazembi und der Delegation näher kommt, umso mehr hinterfragt er die Rassentheorie des deutschen Kaiserreichs sehr zum Missfallen des Professors. Jahre später hat Alexander Hoffmann die Gelegenheit seine Studien direkt in den deutschen Kolonien fortzusetzen ohne zu ahnen, wie ihn die dort verübten Verbrechen und der eigene karrieristische Opportunismus seine eigentlich menschliche, idealistische Moral auf eine harte Probe stellen.
Das Thema, welchem sich dieser Film widmet ist natürlich ein sehr Ehrenwertes und Wichtiges, da der Film uns mit der Aufarbeitung dieses Themas daran erinnert, auf welch fehlgeleiteten Ideologien wir auch Jahrzehnte nach den Kolonial-Verbrechen noch weitaus größeres Leid in die Welt hinausgetragen haben. Der Film öffnet schon einmal die Tür dafür und nimmt uns in die Verantwortung, dass sich Geschichte nicht wiederholen darf. Auch wenn man über die gewählte Perspektive des Films – hier aus einer eher deutschen Perspektive – diskutieren kann, so ist dies schon einmal ein Anfang, gerade wenn man hier vor allem die Perspektive des jungen Ethnologen Alexander Hoffmann, der von Leonard Scheicher gespielt wird, einnimmt und aus dessen Augen die ganzen Verbrechen beobachten muss und selbst immer in einigen moralischen Zwickmühlen zwischen seiner eigenen menschlichen und idealistischen Einstellung und seinen eigenen opportunistischen, karrieretechnischen Ambitionen pendelt. Irgendwie wirkt Scheichers Hoffmann dann auch manchmal wie seiner Zeit weit voraus. Natürlich schafft der Film in Ansätzen die Betroffenen zu Wort kommen zu lassen, doch da ist durchaus viel Potential für weitere filmische Werke noch vorhanden. Auch stellt der Film für mich nicht alle wichtigen Fragen, die mit den gesamten Kolonialverbrechen einhergehen, in dem er die Rolle der Kirche nicht hinterfragt und das durchaus wichtige „Warum ?“ nicht beantworten möchte. Da kommt schon einiges zu kurz in dem knapp zweistündigen Werk, dass durchaus auch an seinem nicht ganz so groß wirkenden Production Value scheitert, so dass die ganz große, bedrohliche und tiefer ausgearbeitete Wirkung nicht ganz entfaltet werden konnte. Dennoch ein Historiendrama, dass mich trotz seiner Schwächen begeistern konnte – wenn man von Begeisterung bei diesem Thema sprechen darf.
„Der Vermessene Mensch“ - My First Look – 7/10 Punkte.