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Kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes ist die Welt der erfolgreichen Influencerin Jo (Noémie Merlant) noch in Ordnung: alle Welt beglückwünscht sie zum bevorstehenden Nachwuchs und die aus Frankreich stammende Mittdreißigerin richtet sogar, den amerikanischen Gepflogenheiten entsprechend, eine Baby-Party aus, stets wohlwollend unterstützt von ihrem Lebenspartner Spencer (Kit Harington) und dessen Mutter Doris (Jayne Atkinson).
Doch kaum ist die kleine Ruby auf der Welt, ändert sich Jos Gefühlslage: zunächst ist sie vom ständigen Geschrei der Kleinen nur genervt, will jedoch keine noch so gutgemeinte Hilfe dazu annehmen und glaubt, mit dem Problem alleine fertig zu werden. Während sie ihren Vlog und dessen vieltausendköpfige Leserschaft, die wochenlang auf ein Foto des Babys wartet, bereits völlig vergessen hat, fängt sie an, Verschwörungstheorien rund um ihr Kind zu entwickeln: zunächst glaubt sie, das Baby wolle mittels Geschrei mit ihr kommunizieren und gibt sich selbst die Schuld, die Kleine nicht zu verstehen, später vermeint sie, dunkle Schatten auf dem Babyphone zu erkennen und läßt deswegen ein Abendessen mit Spencer sausen, und schließlich verdächtigt sie eine andere Gruppe junger Mütter aus der Nachbarschaft, nur so zu tun, als ob sie Babies hätten und ihr in Wahrheit etwas vorzuspielen.
Die angebotene Hilfe von Spencer, dessen Mutter, Freundin Shelly (Meredith Hagner) oder dem Kinderarzt (der ihr mehrfach bescheinigt, daß mit Ruby alles in Ordnung ist) betrachtet die unter extremen Stimmungsschwankungen leidende Jo als unbotmäßige Einmischung in ihre Mutterschaft und weist diese meist schroff ab. Doch die beginnende Paranoia und damit einhergehende optische und akustische Halluzinationen bilden einen Teufelskreis, aus dem Jo nicht mehr herauskommt...

Postnatale Depressionen sind das Thema des Films Baby Ruby, dessen Drehbuch von einer Frau geschrieben, unter der Regie einer Frau realisiert sich nur um die Befindlichkeiten einer Frau dreht und auf die Zielgruppe junger Mütter zugeschnitten ist. Von diesen mag sich die eine oder andere auch durchaus an ähnliche, wenn auch nicht so krasse Erlebnisse erinnern, der große Rest des Publikums bleibt von diesem - natürlich auch dem aktuellen Zeitgeist entsprechenden - Thema jedoch ausgeschlossen.

Wer also gerne anderthalb Stunden lang Babygeschrei und eine immer mehr durchdrehende Mutter erleben möchte, wird mit Baby Ruby seine helle Freude haben - die große Mehrheit des Publikums wird diese sehr spezielle Thematik allerdings in keinster Weise für unterhaltsam erachten. Das beginnt schon mit der höchst durchschnittlichen Hauptdarstellerin, deren Lebenszweck und -Unterhalt aus dem Verbreiten von hochglanzpoliertem oberflächlichem Geschwätz besteht und setzt sich mit ihren unerklärlichen Psychosen fort, während sie gleichzeitig dringend benötigte Hilfe von außen kategorisch ablehnt. Die in der zweiten Filmhälfte auch graphisch dargestellten Halluzinationen, die für ganz kurze Zeit die Hoffnung auf einen Verschwörungsplot à la Rosemary's Baby nähren, erweisen sich allzuschnell sämtlichst als haltlose Hirngespinste von Jo, genauso wie der Umstand, daß ihre Schwiegermutter nachts heimlich die Kleine stillt. Eine Lesbennummer mit Freundin Shelly, von der Jo nur geträumt haben will, scheint aber wirklich passiert zu sein. Oder doch nicht? Egal, Warmduscher Spencer interessiert es genauso wenig wie das Publikum.

Selbst den gesellschaftspolitischen Aspekt, den dieses Käsefilmchen zu transportieren scheint und der ab und zu mal an die Oberfläche gelangt, spricht Regisseurin Bess Wohl viel zu zaghaft an: man könne mit niemandem über diese postnatalen Depressionen reden, läßt sie ihre Hauptdarstellerin einmal verlauten, ein anderes Mal erwähnen deren Freundinnen staatlich geförderte Reha-Maßnahmen für junge Mütter im europäischen Frankreich, die es in der USA eben leider nicht gibt. Die in dieser Hinsicht vermutlich wichtigste Szene, nämlich wenn Jo dann doch einmal mit ihrer Schwiegermama spricht und diese ihr offenbart, daß sie ihr eigenes Kind wegen dessen nervtötenden Geschreis auch zwischendurch richtiggehend gehasst hat (huch!) verbirgt sich schamhaft irgendwo im zweiten Filmdrittel, zeitigt aber null Konsequenzen im Verhalten der Hauptdarstellerin.

Wer es bis zum Ende (auf einer Waldlichtung) von Baby Ruby geschafft hat (dessen Anliegen viel besser in einer 30-minütigen Dokumentation aufgehoben wäre statt in einem 93-minütigen Spielfilm) kann sich daher gratulieren, diesen laut Eigenwerbung "psychiologischen Thriller" (hust!) überstanden zu haben, ohne einzuschlafen - allzuviele werden es nicht sein. Da sollte man dann auch so ehrlich sein, solcherlei filmischen Mist auch als solchen zu bewerten: 2 Punkte, nicht nur wegen der durchwegs unsympathischen Hauptdarstellerin.

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