Zeig mir deine Stadt und ich ziehe Konsequenzen!
Grosses Autorenkino bemüht sich meist um Authenzität, klasse Darstellung, legt Wert auf die kleinsten Details und porträtiert meist Personen, Sachverhalte oder geschichtliche Aspekte, sind praktisch ein Schwenk aus dem menschliche Leben. Spielfilmdebütantin dieses Meisterwerks, A.V. Rockwell, sesshaft in Brooklyn, wollte aus ihrer Tugend Stellung beziehen und drehte ein Porträt ihrer Heimatstadt New York, eingebettet eine Story, die fesselnd und emotional gleichzeitig daherkommt und zum Nachdenken stimmt.
New York City in den 90er Jahren: Die junge und perspektivlose Afroamerikanerin Inez, wird gerade aus dem Knast entlassen. Faktisch obdachlos, plant sie, ihren inzwischen in einer Pflegefamilie untergebrachten Sohn Terry zu entführen und mit ihm in der Stadt ein neues Leben anzufangen. Die Problemviertel der Grossstadt befinden sich zu der Zeit gerade im Umschwung, werden gentrifiziert. Doch dem grossen Traum einer heilen Familie droht schon bald Ernüchterung, Probleme machen sich breit und auch Terry' s falsche Identität läuft Gefahr, aufzufliegen.
A.V. Rockwell' s Langfilmdebüt kann sich sehen lassen. Bisweilen nur auf Kurzfilme spezialisiert, verwirklichte sie ihren Einstieg ins Vollblutfilmbusiness. Der Grundkern fokussiert sich auf die Stadt New York und ihre Gegebenheiten. Wie ein Zeitbild porträtiert sie die Stadt, die niemals schläft, inmitten der Ende 90er, einer Zeit politischen Wandels und Strukturen, bei denen es um Verbesserungen im Sicherheitsnetz ging. Auch werden solche politischen Ereignisse in kurzen Radio-und Fernseheinblendungen gezeigt.
Und um diesen Kern wird sich der Geschichte Inez bemüht, hervorragend gespielt von Sängerin sowie Schauspielerin Teyana Taylor, die von aufsässig, rebellisch bis zickig agiert, ihre Rolle als verlorene Seele der Stadt meistert. An die Wand gespielt wird sie dabei nur noch von dem gleich drei Darstellern gespielten Charakter Terry, allen voran Aven Courtney und Josiah Cross, die überzeugend ruhig, harmonisch und diszipliniert vor der Kamera mimen; oscarreif, würde ich schon behaupten. Die Story beginnt krimihaft und ist auch eine Melange aus Kriminalfilm und Gesellschaftsdrama, sollte wegen seiner Aspekte auch als Familiendrama zu sehen sein. Rockwell nimmt es sich raus, Gesellschaftskritik zu üben, da sich überwiegend die Bezüge zu Identitätsverlust in einer Grossstadt, die sich im Wandel befindet, Familienprobleme im Alltag, Rassentheorie, Perspektivlosigkeit und Unterdrückung kreuzen. Dabei liegt der grossartig gespielte Film nahe an der Grenze zur empirischen Sozialstudie, die noch hinzukommend untermalt wird von einem starkem, emotional- wummernden Soundtrack ,den wir Gary Gunn zu verdanken haben und im Grunde dies Werk zu einen Denkmal mit konzipiert.
Zugleich soll "A Thousand and One" (die Zahl wurde abgeleitet von der Appartementzimmernummer 10-01 in der die Neufamilie die nächsten 7 Jahre verbringt) das Publikum aufrütteln, mehr Toleranz und Humanität zu entwickeln. Die ungeschönten Bilder sprechen eine Sprache für sich, sind voller Schmerz und auch Gefühle und das ohne dabei irgendwelchen Sentimentalitätsstuss zuzuführen, um falsche Emotionen zu erwecken.
Wahrheitsgetreues Bild einer Stadt voller Geschichte, Leid und Hoffnung, nie kitschig aber trotzdem emotional. Lebt vor allem von der Leistung seiner Hauptdarsteller, seinem Mut zur Aufgeschlossenheit, ohne dabei auf der Anklagebank zu sitzen und seinem kraftvollen und ohrwurmstechenden Score. Ein Film, der nachdenklich stimmt und Spuren hinterlässt. Grossartig!
Ist die FSK:12 Freigabe gerechtfertigt? Ja, die schwermütige Story dürfte jüngeren Zuschauer zu schaffen machen. Auch vom Verständnis her eher für ältere gedacht!