*Achtung, Handlungsspoiler enthalten.*
Titel: „King of the Ants“.
Regie: Stuart Gordon.
Kombiniere: Muss sich um einen anspruchslosen, nicht allzu ernst zu nehmenden Tier-Horror auf B-Movie-Niveau mit vielen kleinen, wahrscheinlich über eine verschlafene Kleinstadt herfallenden Krabbelviecher handeln, ganz klar.
Wer den Griff ins Regal mit den gleichen Gedankenzügen vollführt oder einfach, wie ich, keinen Bock hat, den Klappentext zu lesen, der könnte eine gewaltige Überraschung erleben.
Punkt Nr. 1: Hier geht’s in keinster Weise um Killerameisen. Genauer genommen geht’s hier überhaupt nicht um Ameisen…
Nein, im Mittelpunkt des Geschehens steht der Loser Sean – ein lethargischer, ziellos durchs Leben gammelnder Rumtreiber der Marke „Kurt Cobain mit Glatze“, der sich mit miesen Gelegenheitsjobs über Wasser hält.
Eines Tages bietet ihm ein flüchtiger Bekannter einen gut bezahlten, aber nicht ganz lupenreinen Überwachungsjob an. Sean nimmt an und erledigt den Auftrag trotz seiner lockeren, unprofessionellen Herangehensweise zufrieden stellend.
Schritt 2 von Seans Job lässt aber nicht lange auf sich warten: Eines Nachts schickt der Auftraggeber seines Auftraggebers, sozusagen der Big Boss, Sean los, sein Zielobjekt zu eliminieren, was Sean, willenlos wie er nun einmal ist, auch brav befolgt.
Doch das hätte er besser nicht getan.
Am nächsten Tag steht der Big Boss mit seinem Schlägertrupp auf der Matte und leugnet, auch nur ein einziges Wort von wegen „Bring den Bastard um!“ verloren zu haben.
Der Deal ist also geplatzt, die versprochene Kohle futsch und Sean steht als Depp da, den der Auftraggeber am liebsten aus der Stadt haben will.
Doch Sean denkt nicht daran zu gehen. Sean will sein Geld. Als er den Gangstern aber droht, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, hat er sich die Falschen zum Spielen ausgesucht.
Es folgt ein mörderischer Foltermarathon, bei welchem Sean in einem kleinen, abgelegenen Holzverschlag irgendwo in der Pampa festgehalten und täglich einen Hieb mit dem 9er-Eisen verabreicht bekommt, in der Hoffnung, dass sich sein Gehirn verflüssigen möge.
Und in der Tat: Nachdem dieses Ritual wochenlang vollzogen worden ist, ist Sean nur noch ein sabbernder, lallender, sich bepissender und völlig deformierter Schatten seiner Selbst.
Doch auf wundersame Weise gelingt diesem blutenden, stinkenden und kaum mehr lebendigem Stück Fleisch die Flucht und nach einer kreativen Schaffenspause zeigt sich, welch Monster die Schläger erschaffen haben, und Sean nimmt Rache…
Uff, sorry, dass ich ein bisschen weiter ausgeholt hab’, aber nun kann ich mir sicher sein, dass ihr die Materie des Films im Groben durchsteigt.
So, jetzt zum Review itself:
Vergesst alles was ihr von Stuard Gordon bis dato kennt! Egal ob „Re-Animator“, „Aliens des Grauens“, „Fortress“ oder „Dagon“… - die könnt ihr alle getrost in euren mentalen Mülleimer verschieben und von eurer Festplatte entfernen, denn womit uns der gute Herr Gordon heute beglückt, ist in Sachen Anspruch, Dramaturgie, Tiefgang und Story einfach das beste, was er jemals abgeliefert hat.
… und glaubt jetzt ja nicht, den Handlungsverlauf bereits vorhersehen zu können, denn trotz meiner sehr ausführlichen Inhaltsangabe hält der Streifen noch einige Überraschungen bereit.
Wie ihr gewiss bereits festgestellt habt, handelt es sich nicht, wie man es von einem Gordon-Film erwarten könnte, um einen Horrorfilm, sondern um einen äußerst drastischen „Hate & Revenge“-Thriller, der aber glücklicherweise nicht mit einem übertrieben prolligen „Phoenix aus der Asche“-Racheengel á la „The Punisher“ daherkommt, sondern von der ersten bis zur letzten Sekunde auf seltsame Weise authentisch und „in der Realität tatsächlich möglich“ wirkt.
…was mich gleich zu Pluspunkt Numero Uno – dem Hauptcharakter Sean - bringt:
Seine Lethargie, seine Wortkargheit und seine „Scheiß’ auf alles!“-Einstellung kommen einfach grandios rüber!
Sogar während der Folter, bei dem sein Schädel immer mit einem Schaumgummi-Fetzen umwickelt wird, damit er später nicht das Fabrikat des Golfschlägers in der Fresse trägt, zeigt er seinen Peinigern den imaginären Stinkefinger, indem er sich das Polster, das eher dem Schläger, als ihm dient, selbst umschnallt. Einfach ne Hammer-Szene…
Ihm scheint irgendwie alles vollkommen scheißegal zu sein. Sein Leben, das in seinen Augen ohnehin keinen Fliegenschiss wert ist, ist seiner Meinung nach sowieso ein einziges Jammertal, da kommt’s auf das bisschen Folter eigentlich auch nicht mehr an, und ob er nun am Ende überlebt oder stirbt, ist ihm völlig Schnuppe.
Ein cooler Typ eben…
Klar, dass bei einer Hauptfigur mit einer derartig kühlen Seele Gefühlsausbrüche und Emotionen natürlich keinen großen Stellenwert haben und auch nicht sonderlich oft an die Oberfläche schwappen.
Und Sean bleibt auch während seines finalen Racheaktes ganz er selbst, was bedeutet, dass während des Showdowns keine übertriebenen Energien entfesselt oder Hassstrahlen zum Ausbruch kommen, was den Begriff „sagenhaft-brutal“ aber nicht zwangsläufig ausgeklammert…
Oh ja, hier geht’s wahrlich sau-brutal zu, und dass sowohl physisch, als auch psychisch. Brutal sind aber nicht nur die FX, welche gar nicht mal so übertrieben gorig ausfallen und auch nicht wirklich einen auf Splatter machen, sondern vor allem die Realitätsnähe der dargestellten Gewalt und ihre Kaltschnäuzigkeit und Emotionsleere.
Gut, als Sean gegen Ende einem seiner Peiniger den Schädel abschlägt und diesen dann auf dem Lagerfeuer grillt, dann ist das natürlich schon irgendwie jenseits jedes gesunden Menschenverstandes, aber wer weiß, ob man, wenn man sich selbst in so einer Rache-Situation befände, nicht genauso handeln würde (…völliger Quatsch, i know, aber mir gehen langsam die Argumente aus…:-1)...
So, bevor ich noch mehr Dunst ablasse, hier das Fazit:
Hammerharter, kompromissloser, nihilistischer, kalt duschender, im stehen pinkelnder und von der ersten bis zur letzten Sekunde fesselnder Folter- und Rache-Thriller mit deutlichen Sicko-Tendenzen. Über kleinere Spannungseinbrüche kann man getrost hinwegsehen, da er ansonsten auf ganzer Linie überzeugt und nicht nur Fans des phantastischen B-Films vorzüglich munden dürfte.
Mehr als nur eine Alternative zu großkotzigen Hollywood-Rächern wie „The Punisher“, „Payback“ oder „ Die Braut, die sich nicht traut“.
Ein echter Geheimtipp mit Lieblingsfilm-Potenzial!