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Der Vorgänger war 2018 eine echte Offenbarung im Animationsfilm. Der teils naive, teils gewagte, aber immer kreative Stilmix war in dieser Form etwas völlig Neues im Genre und die Auswirkungen des Films sind seither in so ziemlich jedem ambitionierten Trickfilm spürbar. Kurz: INTO THE SPIDER-VERSE war ein echter Gamechanger.

Vielleicht waren die Bürde und der damit verbundene Erwartungsdruck zu hoch. Die Fortsetzung leidet jedenfalls massiv an Sequelitis.

Wenn im Vorspann das Marvel-Logo in gefühlt 1.000 verschiedenen wechselnden Animationsstilen über die Leinwand blättert, nimmt das im Grunde die folgenden zwei Stunden und zwanzig Minuten (!) vorweg. Das Motto des Films könnte „too much of everything“ lauten: Wir werden nicht nur mit ständig neuen Stilen bombardiert, sondern auch mit eingeblendeten Schriften und Comics, Hintergrundinformationen, Querverweisen und Easter Eggs auf allen Ebenen. Statt fünf Spider-Men werden hier rund 500 auf die Leinwand geworfen, jede/r Einzelne liebevoll im passenden Stil animiert, viele prominent synchronisiert und einige mit Namen und passendem Marvel-Heft präsentiert. Viel mehr Fanservice ist eigentlich nicht mehr denkbar.

Doch auf jeden glücklichen Fan kommt hier mit Sicherheit auch mindestens ein geplätteter Kinobesucher: Die Konsequenz des Zuviel ist hier eine massive Erschöpfung und Ermüdung – und das nicht erst im letzten Drittel des Films, wie bei vielen anderen Blockbustern, sondern im Prinzip von Anfang an. Der Film legt allein visuell ein solches Tempo vor, das man als Zuschauer in Rekordzeit abgehängt wird. Und es gibt nicht einmal einen Handlungsfaden, an dem man sich festhalten könnte.

Im Gegensatz zum ersten Film, der noch eine halbwegs klare Storyline verfolgte, ist ACROSS THE SPIDER-VERSE, wie sein Titel schon suggeriert, so mit den Möglichkeiten seiner Spider-Man-Universen beschäftigt und so in die eigene Kreativität verliebt, das der Film zeitweise komplett seine eigene Storymission und den neuen Bösewicht vergisst. Erst kurz vor Schluss kommt der Plot wieder auf Schiene, nur um uns dann ein überraschendes „To be continued“ einzublenden. Nach der massiven, spürbaren Überlänge des Films wirkt das wie ein schlechter Witz. Allein dieser Film wäre als Zweiteiler schon genießbarer gewesen!

Das alles ist vor allem deshalb so schade, weil SPIDER-MAN: ACROSS THE SPIDER-VERSE visuell wahrscheinlich der beeindruckendste (Animations-)Film ist, der je auf einer Leinwand zu sehen war. Man würde sich nahezu jedes Bild am liebsten einrahmen und im IMAX-Format aufhängen, man könnte permanent auf Pause drücken und sich Szenen nochmal in aller Ruhe ansehen, man möchte in den Farben, Bildausschnitten und Animationen schwelgen – der Film ist bewegte Kunst, ein wahres Fest fürs Auge, ein visuelles, animiertes Meisterwerk.

2024 folgt die Fortsetzung BEYOND THE SPIDERVERSE. Hoffen wir, dass dieser Film dann auch wirklich über seine Oberfläche und seine Selbstreferenzialität hinausgeht.

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