Kommen wir mal wieder zu einem kleinem Überraschungsfilmchen, den ich zuletzt zufälligerweise auf dem Fernsehsender Arte oder Sat3 gesehen habe. Ja, so als Schichtarbeiter hat man es meistens schwer. Aber manchmal bekommt man auch Vorteile durch diese "komische" Arbeitszeiten.
Ich habe nicht viel erwartet und das Nette war, dass ich viel geboten bekam. Denn ganz ehrlich: Die Story hört sich an, als würde wieder ein Crystal Meth abhängiger Regisseur sich beim Filme Poppen versuchen:
Oberguru Gunnar (Bjørn Floberg) will demnächst eine Reality-Survival-Show drehen. Doch die Crew hinter der Kamera, die er dafür engagieren will, soll zuerst selbst diese Erfahrung machen, wie es ist, Regenwürmer aus dem Boden zu puhlen, mit dem Feuerzeug erhitzen, und mit Baumrinde als Salzersatz zu essen.
Das ergibt alles keinen Sinn, denn warum sollte die Crew nach diesem Erlebnisurlaub besser sein? Egal, Gunnar will es so. Die vorläufige Inhaltsangabe hört sich nach verdammt billigem B-Movie an, der vielleicht noch auf der Found-Footage-Welle mitschwimmen will, aber wenn man mal auf das Alter schielt (2003) bemerkt man sofort, dass da noch eher Slasher-Plagiate á la "Scream" hip waren. Also muss was anderes dahinter stecken...
Und das ist auch gut so. Denn sagen wir es mal so: "Dark Woods" aka "Die Tote am See" zieht seine Stärken aus den primitivsten Mittel die der Filmwelt zur Verfügung stehen. Kein Hokuspokus, kein Firlefanz, keine teuren Special Effects, kein unlogisches Verhalten sondern einfach eine Fünfergruppe, die harmonisch so "gut" zusammenpasst, dass die Hölle ausbrechen muss und als Schmakerl hinzu kommt eben noch wortwörtlich "Die Tote am See".
Ich schreib es jetzt noch ein einziges Mal: Don´t worry about this kack Story. Nach dem Kennenlernen der Charaktere bemerkt man erst einmal, dass die Leute nicht die typischen Twens sind, die uns mit Drogen, Sex und billigen Sprüchen auf den Keks gehen wollen, sondern sie wirken authentisch, weitestgehend homogen und mit leichten Abstrichen kann Regisseur Pål Øie (ich habe gerade meine Tastatur vergewaltigt) Klischees und unlustige Sprüche umgehen, auch wenn der Sexualtrieb leicht angezeichnet wird bzw. die Lust auf Suchtmittel sich lediglich auf Nikotin begrenzt. Auch der Kameramann stellt einen ganz normalen Film auf die Beine, wenn man mal über die Einführung (5 Minuten) drüber hinwegsieht, die echt nach Found Footage oder sonstigem billigem Material aussieht.
Gunnar (Bjørn Floberg) spielt seine Mischung aus Felix Magath, Sergeant Hartman (R. Lee Ermey - "Full Metal Jacket") und U.S. Marshal ‘Teddy’ Daniels (Leonardo DiCaprio - "Shutter Island") genial und verkörpert eine verdammt wichtige Komponente zwischen den ganzen jungen Wilden. Denn die sehen (ja, da haben sie auch Recht!) diese Reifeprüfung als schlechten Witz an und dennoch wird ernst gemacht. Neben den ganzen Prüfungen, die das junge Quartett an die Grenzen des Zumutbaren bringt, finden die beiden Jungs noch ein verlassenes Zelt am See und eine Frauenleiche. Kurz darauf ereignen sich merkwürdige Ereignisse, die ihre Durchschlagskraft jedes Mal ein wenig nach oben kurbeln.
Denn irgendetwas ist faul. Regisseur Pål Øie (okay, gerade eine neue Tastatur bestellt...) lässt hier mal ganz offen, was hier überhaupt am Rad dreht. Ob es Gunnar ist, eine Tote, die von den Geistern auferstanden ist, durchgeknallte Rednecks oder ob es nur die Erschöpfungszustände sind, die die vier jungen Möchtegernregisseure plagen. Nach einer gewissen Zeit lässt Pål Øie eine Komponente weg, lässt aber noch weitere Türen offen, wobei der Film dennoch immer spannender wird, dank intensiver Aufnahmen.
Das Gute daran ist, dass dieses gottverlassene Zelt am See (das Quintett lebt ja fernab in einer Hütte tief in den Wäldern) nicht nur einen sehr schönen Kontrast bietet, sondern auch mehrmals für subtil unheimliche Szenen herhalten muss. Ich sag es mal so: Ich konnte mir nicht im Geringsten ausmalen, wohin die Reise hier geht. Und auch, wenn es später immer weniger Lösungen gibt, so hat man unglaublich viel mit wenig finanziellen Mitteln erarbeitet, dass dem Zuschauer die Spucke wegbleibt. Klar - Man muss ein gerade in Sachen Hochglanzlock ganz klare Abstriche in Kauf nehmen. Aber wenn man das kann, weit fernab der Hollywood-Optik, dürfte dem gepflegten, subtilen Grusel nichts mehr im Weg stehen.
Die Spannung ist in diesem Fall jedoch auch sehr von der Verfassung und Umgebung des Zuschauers abhängig. Ich hab das Teil wieder zwei Wochen später geschaut, 30 Grad und Sonne - normalerweise sollte ich im Garten sitzen, Bier trinken und mir Heroin unter den Fußnagel spritzen, aber was mache ich - ich schaue diesen Film wieder - weil er eben gewirkt hat. Und genau das waren ganz falsche Voraussetzungen für dieses Stück Zelluloid. "Dark Woods" sollte man wirklich nur sehen, wenn man nichts plant, wenn das Wetter schlecht ist und das Smartphone sich nicht andauernd meldet. Man muss sich ganz tief fallen lassen und sich auf diesen Film einlassen. Sonst wird das nix. Es gibt nicht viele Filme, die solch einen unterschiedlichen Eindruck hinterlassen, ob es Tag oder Nacht ist, aber "Dark Woods" ist so ein Film, den man wirklich nur sehen soll, wen keine Technik, keine Party, kein Wetter und kein Mensch einem für 90 Minuten auf die Eier geht.
7/10