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Mit seinem Film “Das Wunder von Bern” hat der vielseitige deutsche Regisseur Sönke Wortmann seine Flexibilität einmal mehr unter Beweis gestellt. Vorab sollte man sich im Klaren sein, dass “Das Wunder von Bern” kein bloßer Fußballfilm ist, sondern sich auch noch in die Genres Drama und (Tragi-)Komödie einordnen lässt und in gewissem Sinne auch als prosaisches, modernes Heldenepos bezeichnet werden kann.

Die Handlung setzt sich aus zwei Haupthandlungssträngen zusammen, die stets miteinander zusammenhängen: zum einen das Schicksal der Familie Lubanski und zum anderen der Weg der deutschen Nationalmannschaft zum WM-Triumph. Die in Armut lebende Familie Lubanski besteht aus der Mutter, dem älteren Sohn Bruno, der Tochter Ingrid und dem kleinen Matthias. Die Mutter betreibt eine Kneipe, um die Familie über Wasser zu halten. Die Tochter hilft in der Kneipe als Kellnerin aus, der ältere Sohn steuert als Musiker seinen Teil zur Haushaltskasse bei und auch der kleine Matthias unterstützt seine Familie, indem er die Tabakreste der Kneipenbesucher aufsammelt, damit neue Zigaretten dreht und diese verkauft. Matthias’ große Leidenschaft ist Fußball. Er ist ein großer Fan und das persönliche Maskottchen vom “Boss” Helmut Rahn. Ohne Matthias kann Rahn nach eigener Aussage keine wichtigen Spiele gewinnen.
Nach gut 11½ Jahren in russischer Gefangenschaft kehrt der Vater nach Hause zurück. Zum ersten Mal stehen sich Matthias und sein Vater gegenüber. Die Gefangenschaft hat ihn komplett verändert. Er ist nun ein ängstlicher hilfloser Mann, der sich jedoch nach außen hin als hartes, diszipliniertes und entschlossenes Familienoberhaupt präsentiert. Die Familie leidet sehr stark darunter. Währenddessen kämpft sich die deutsche Mannschaft überraschenderweise bis ins Finale - gegen Ungarn, das seit vier Jahren KEIN einziges Länderspiel mehr verloren hat! Damit Rahn das wichtige Finale entscheiden kann, muss Matthias natürlich live dabei sein, doch da hat der Vater auch noch ein Wörtchen mit zu reden…
In einem Nebenplot sorgen ein Reporter der Süddeutschen Zeitung und seine Ehefrau, die praktisch ihre Hochzeitsreise bei der WM verbringen, für reichlich humorvolle Einlagen und witzige Dialoge.

Die Schauspieler liefern allesamt eine bravouröse Leistung ab. Allen voran Peter Lohmeyer als Vater Lubanski, der mit seiner ernsten und störrischen Miene wirklich den Eindruck erweckt, als hätte er die letzten 10 Jahre seines Leben unter schwersten Qualen verbracht und nun die schlimme Vergangenheit verdrängen möchte. Auch der kleine Louis Klamroth als Matthias Lubanski beweist enorm viel Talent. Vor allem sein Gesicht passt hervorragend in die damalige Zeit. In ihm schlummert noch viel Talent und man kann nur hoffen, dass er sein Potential ausnutzt. Die Fußballer fallen leider weniger durch ihre schauspielerische Leistung auf, einzig Peter Franke hebt sich als cooler abgebrühter Bundestrainer Sepp Herberger heraus.

Die Sets sind sehr passend gewählt und gestaltet worden und vermitteln, in Kombination mit den ebenso in die Zeit passenden Kostüme, eine starke und unglaublich reale Atmosphäre der Nachkriegszeit, die man als Zuschauer förmlich spüren kann.

Leider gibt es auch ein paar schwere Kritikpunkte an dem Film. Trotz des für deutsche Verhältnisse relativ hohen Budgets (“Das Wunder von Bern” ist die zweitteuerste deutsche Produktion überhaupt) sind die Spezialeffekte auf mäßigem Niveau. Besonders deutlich macht sich das in der Totale auf die Zuschauerränge im Stadion bemerkbar. Die Zuschauer, die man dort per CGI in die Blue-Screen eingesetzt hat, wirken so unecht wie die Zuschauertribünen bei FIFA 98. Der entscheidende Schwachpunkt ist aber m.E. die Musik. Man vermisst einfach jegliche musikalische Unterstützung der tragischen Elemente des Filmes. Der Film enthält so viele wunderschön komponierte Bilder, die durch die entsprechende musikalische Begleitung zu Tränen rühren könnten. Diese Chance hat man leider verpasst, sonst hätte der Film es durchaus verdient, in einem genreübergreifenden Vergleich mit anderen deutschen Meisterwerken wie “Das Boot” oder “Die Blechtrommel” qualitativ auf eine Ebene gestellt zu werden.

Alles in allem ist “Das Wunder von Bern” ein guter Film mit Höhen und Tiefen, der mehr bietet als pure Unterhaltung. In den im Vorfeld geführten Interviews mit Regisseur Sönke Wortmann hat er mehrmals betont, dass der Weltmeistertitel auch eine enorme wirtschaftliche Bedeutung für das gesamte deutsche Volk hatte. Dieser Aspekt ist leider nicht in dem Film eingearbeitet. 7/10

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