Zwischen Schnellzug, Satire und dem Sand der Zeit
Ist „The Flash“ Schlusspunkt oder gar Neuanfang? So ganz ist man auch nach den deutlich über zwei Stunden nicht schlauer, in denen das aktuelle DC-Kinouniversum wohl doch sein vorletztes Hurrah ausstößt und die wohl wichtigste, aufwändigste aller „Flash“-Geschichten in breite Bilder packt. Andy Muschietti darf, nachdem er das „Hollywoodhorrorgame“ scheinbar durchgespielt hat, nun einen exorbitanten Superheldenblockbuster inszenieren - und er hält das Chaos und Durcheinander famos zusammen. Gerade wenn man bedenkt, was für Herausforderungen die gesamte Produktion über all die Jahre durchstehen musste. Von Pandemien über Streiks und neue Drehbücher bis zu sozial amoklaufenden Hauptdarstellern. Danach gemessen ist das hier beinahe ein Meisterwerk. Aber auch ohne diese Messlatten tieflegenden Zweifel und Unkenrufe ist sein „The Flash“ im Großen ein Erfolg geworden. Handlung: trotz allen Warnungen zum Trotz versucht Barry, der mittlerweile so schnell läuft, dass er die Zeit zurückdrehen kann, seine Familie mit seinen neuen Fähigkeiten zu retten. Aber natürlich verändern schon kleine Dinge gleich ganze Universen, sodass er schon bald in einer fremden Welt festsitzt, ohne bekannte Freunde und Verbündete, dafür aber mit alten Bedrohungen und seinem jüngeren, nervigeren Ich aus dieser Parallelwelt…
Operation Flashjoint
In „The Flash“ lernt unser Barry den Mund zu halten und Aufopferung, los zu lassen und Opfer zu bringen, über Schicksal und Zeitstrahlen, über Knotenpunkte, Kindheitsidole und das zu schätzen, was man hat. Und wir als Zuschauer gleich mit. Die Computereffekte sind weitestgehend grausam. Dermaßen schlimm, dass das schon nicht mehr nur B-Note ist. Einige Sprünge und gefühlte Alternativszenen offenbaren die problematische Entstehungsgeschichte, wenn man etwas genauer hinguckt. Ein ganz schönes Schnittmassaker wurde da bestimmt veranstaltet und extra viele Versionen getestet. Und so ganz will er sich nie zwischen locker-leichtem Zeitreisemodus und düsterer Weltenzerstörung entscheiden. Das sind Mängel, die ihn für mich definitiv nicht zum vorher von einigen Seiten angepriesenen Überhit des DCEU werden lassen. Aber im Kern ist „The Flash“ doch sehr unterhaltsam und hat mir einige Gänsehäute und ein pochendes Kinderherz beschert. Allein die Eröffnung ist dermaßen drüber und banane, dass sie fast aus „Deadpool“ kommen könnte. Ugly Baby-Boom! Dazu etliche vorher nicht für möglich gehaltene Gastauftritte und WTF?!-Momente, die zurecht mehrfach ein Raunen und hörbares Staunen durch das proppenvolle Kino haben schwappen lassen. In Sachen Sommerkino für Popcorn und Kurzweile erfüllt das seinen Zweck. Es gibt wie gesagt einige Szenen, Momente und Klänge, in denen es jedem Comicfan und Ü30er heißkalt den Rücken runterläuft. Es gibt einen famosen Ezra Miller, der keinen Zweifel daran aufkommen lässt, dass es die richtige Entscheidung war, ihn doch nicht zu ersetzen. Es gibt Michael Keaton und Michael Shannon. Es gibt das alte Batmobil, den Batwing und den Elfman-Score. Es gibt massig Insider, Easter Eggs und Anspielungen auf fast hundert Jahre DC-Helden. Und noch dazu hat der Film sein Herz am rechten Fleck - selbst wenn auch hier mal wieder der scheinbare DCEU-Mutterkomplex über allem schwebt wie ein Damoklesschwert. Insgesamt ist das fast mehr als ich mir in meinen Erwartungen vorgestellt hatte. Und ziemlich toll.
Fazit: der emotionale Kern passt, die Chameos sind echte Wow-Effekte, Miller hat mit sich selbst eine gute Chemie und wie Muschietti den Flickenteppich zusammenhält beeindruckt - dennoch zerstören katastrophale Effekte, tonale Balancestolpersteine und irgendwie das Gefühl von mehr Schein als Sein einen erstaunlich tollen DCEU-(Beinahe-)Schlusspunkt. Viel schlimmer hätte es dennoch sein können, gefühlt fast müssen… unser Teil des Multiversums scheint also doch noch nicht ganz verloren! Ein Clusterfuckwunder!