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Ein erfolgreicher und berühmter Schriftsteller zu werden wie sein Idol JM Sinclair, dies hat sich Nachwuchs-Literat Liam Sommers (Daryl McCormack) fest vorgenommen. Voller Bewunderung kennt er sämtliche von dessen Werken und kann diese zum Teil sogar rezitieren. Umso erfreulicher für ihn, daß er eines Tages gebeten wird, dessen Sohn Bertie Sinclair (Stephen McMilan) Nachhilfe zu erteilen, damit dieser die Aufnahmeprüfung für ein von den Eltern gewünschtes Studium besteht.
Als sich Sommers jedoch auf dem splendiden Herrensitz der Sinclairs zum ersten Vorstellungsgespräch einfindet, muß der junge Mann Anfang Zwanzig schnell feststellen, daß sein Idol im privaten Kreis ein herrschsüchtiger Narzist ist, der seine Familie, sprich Sohn Bertie und Gattin Hélène (Julie Delphy), in vielfacher Weise bevormundet. Tatsächlich jedoch leidet JM Sinclair (Richard E. Grant) unter dem Verlust seines älteren Sohnes Felix, der vor kurzem im weitläufigen Gartenteich ertrunken war. Dies führte bei ihm zu einer Art Schreibblockade, wegen der er seinen aktuellen Roman Rosenbaum nicht fertigstellen kann.
Sommers, der zwar eingestellt wurde und im Nebenhaus logieren darf, gesteht dem Hausherrn wegen dessen herablassender Art, mit der er auch ihm gegenüber auftritt, nicht seine umfassende Kenntnis und Begeisterung über dessen bisherige Werke. Mit der Zeit gelingt es ihm, einen Draht zum pubertierenden Bertie aufzubauen und den anfangs unwilligen Teenager zum Lernen zu bewegen, was Sinclair, der von seinem jüngeren Sprößling keine gute Meinung hat, beiläufig zur Kenntnis nimmt. Als der Hausherr langsam Sommers intellektuelle Fähigkeiten bemerkt, zieht er den Nachhilfelehrer auch für persönliche Dienstleistungen zu Rate und läßt sich von diesem bei Computerproblemen helfen. So erlangt Sommers langsam Einblicke in die Gefühlswelt der wohlhabenden Familie, was er sich bald zunutze macht...

Die von der britischen Regisseurin Alice Troughton inszenierte Geschichte The Lesson um den späteren Erfolgsschriftsteller Liam Sommers, die dieser in einer Art Rückblende erzählt, ist ein bemerkenswertes Drama um einen alternden Literaten, der mit dem Schicksal hadert und einen schweren Verlust nicht verkraften kann. In bemerkenswerter Weise gibt Richard E. Grant hier seiner Rolle als Haustyrann in gehobenen Kreisen Raum und stellt - besonders am Ende des Films - alle erdenklichen Facetten eines strauchelnden Patriarchen dar, der gar nicht merkt, wie sehr ihm die Situation entgleitet bzw. bereits entglitten ist.

Entgegen der Erwartung eines Thrillers, der düstere Familiengeheimnisse offenbart, erweist sich der übrigens in Hamburg abgedrehte Streifen als feinfühliges Drama, in dem wohlgesetzte Worte und entsprechende Mimiken die Funktion von Waffen übernehmen. Begleitet von einem klassischen Orchester - hier besonders einem lebhaftem Streicherthema - entwickeln sich langsam (neue) Beziehungen der wenigen Hausbewohner (ein Hausdiener ist auch mit von der Partie) zueinander bzw. verändern sich unter dem Einfluß des jungen Nachhilfelehrers. Der kommt erst langsam dahinter, wie er die ihn einschränkende Situation besser in den Griff bekommt und seine Stellung, die freilich vertraglich exakt festgehalten ist, auch zu seinem eigenen Vorteil nutzen kann. Nach gut einer gute Stunde Filmlaufzeit steigt er mit Hélène, der Frau des Hauses, ins Bett, doch das ist nur der Beginn eines sich abzeichnenden Dramas, das sich immer weiter zuspitzt.   

Fazit: das teilweise kammerspielartig dargebotene Drama The Lesson offenbart interessante Einblicke in die Psyche eines tyrannischen Familienvaters, dem langsam der Boden unter den Füßen entgleitet und ist dank guter darstellerischer Leistungen eine Sichtung wert. 6 Punkte.

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