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Nachdem das letzte Bühnenstück von Theaterautor James M. Barrie beim Publikum und den Kritikern auf Widerwillen gestoßen ist, muß dringend ein Erfolg her. Als er bei einem Spaziergang im Park auf die Witwe Sylvia Llewely Davies und ihre vier Söhne trifft, entwickelt sich eine besondere Freundschaft zwischen beiden Parteien. Besonders der kleine Peter zieht seine Aufmerksamkeit auf sich. Eines Tages bittet Barrie den Jungen, ihm seinen Namen für ein neues Theaterstück zur Verfügung zu stellen...

So entsteht nach und nach eine der berühmtesten Figuren der Kinderliteratur: Peter Pan. Regisseur Marc Foster erzählt die Genese dieses Werkes mit einer Mischung aus Fantasie und Emotionen, wobei er es allerdings überwiegend schafft, die Abgründe des Kitschigen zu umschiffen. Barrie wird hier dargestellt als ein Liebling der viktorianischen Gesellschaft, der, obwohl aufgrund seines seltsamen Verhaltens gegenüber Kindern und seiner naiven Fantasie nicht unumstritten, doch allgemein geschätzt ist. Auch wenn das Bild des „echten“ Schöpfers von Peter Pan sicherlich nicht ganz mit Fosters Version übereinstimmt, regiert in „Wenn Träume fliegen lernen“ eindeutig Barries Credo: Wenn man nur fest genug glaubt, wird alles wahr. Genau darauf sollte man sich auch als Zuschauer einlassen: Herrlich sind Szenen, in denen Fantasie und Realität auf wundersame Weise miteinander verschwimmen. Als Sylvias unsympathische Mutter die Kinder wieder einmal zurechtweist und auf einmal in Barries Sicht einen Haken anstatt einer Hand hat, fällt es einem als Zuschauer tatsächlich leicht zu glauben, daß diese als Schablone für Captain Hook gedient hat.

Doch bei aller Fantasie und vermeintlicher Naivität behandelt „Wenn Träume fliegen lernen“ auch ernste Themen: Es geht um Verlust der Kindheit, den Umgang mit dem Tod und dem ewigen Kampf gegen die Zeit. Nimmerland ist nicht nur kindliches Paradies, sondern gleichzeitig ein Analogon des Jenseits. Wenn Foster sagt, daß alle Ängste im Leben letztendlich auf die Angst vor dem Tod zurückzuführen sind und es gerade deshalb wichtig ist, keine Angst vor dem Sterben zu haben, zementiert er diese Ansicht in seinem neusten Werk eindrucksvoll.

Hollywoods berühmtestes Drogenwrack Johnny Depp spielt James M. Barrie mit einer derartigen Sanftmütigkeit, daß man ihm niemals jene pädophile Neigungen unterstellen würde, die sein Vorbild in ein fragwürdiges Licht gerückt haben. Bei aller Sympathie für seinen Charakter geht er jedoch nicht so weit, dessen Abgründe auszusparen. Daß seine Ehe unwiederbringlich kaputt ist, weiß er ganz genau und streut es so beiläufig ein, als wäre es das Unwichtigste der Welt. Seltsam jedoch, daß man ihn seit „Fluch der Karibik“ nicht mehr ohne meterdick aufgetragenen Kajalstift sieht...

Leider bleiben alle anderen Charaktere, ausgenommen einmal die hervorragend agierenden Kinder, ein wenig farblos. Von vornherein ist klar: „Finding Neverland“ ist Johnny Depps Vehikel, und auf dem Fahrersitz ist nur Platz für einen. Diese One – Man Show erledigt er mit Bravour, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen kann, daß die anderen großen Stars dieser Produktion ein wenig wie überflüssige Statisten wirken.

Insgesamt ist „Wenn Träume fliegen lernen“ ein gutes Melodram geworden. Ob es für den einen oder den anderen Oscar reicht, bleibt abzuwarten. Klassikerstatus wird der Film jedoch sicherlich nicht erlangen.
8 / 10 Punkte

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