Jetzt ist es endlich offiziell: Tom Cruise ist der neue James Bond.
Kurz nachdem die 007-Reihe im Jahr 2008 mit QUANTUM OF SOLACE in die Emo-Ecke abgebogen war, etablierte Tom Cruise seinen Ethan Hunt als legitimen Bond-Epigonen alter Schule. Im Team mit Christopher McQuarrie als Drehbuch- und Regiepartner gelangen ihm mit ROGUE NATION und FALLOUT bereits zwei ausgesprochen elegant inszenierte, fesselnde und ungeheuer actionreiche Agententhriller. Mit DEAD RECKONING setzen sie die Serie fort – und noch einen drauf.
Noch in keinem anderen Blockbuster war das alte Bond-Feeling so spürbar wie in diesem. Allein die Verfolgungsjagd im knallgelben Fiat 500 durch Rom ist eine direkte Reminiszenz an Carole Bouquets gelbe „Ente“ in FOR YOUR EYES ONLY, es gibt eine exaltierte Killerin (toll: Pom Klementieff, „Mantis“ aus GUARDIANS OF THE GALAXY als eine Mischung aus Mayday und Jaws), einen persönlichen Erzfeind aus Hunts Vergangenheit (etwas blass: Esai Morales) und einen CIA-Agenten, der Hunt den ganzen Film über erfolglos hinterherhechelt (herrlich zerzaust: Shea Whigham).
Angenehmerweise zieht sich auch hier ein feiner, durchaus selbstironischer Humor durch den ganzen Film. Cruise ist zwar nach wie vor in Topform und hat sichtlich großen Spaß an seinen größtenteils selbst durchgeführten Stunts, wird aber auch immer wieder in Situationen gebracht, in denen er sichtlich irritiert oder gefordert ist. Zudem zwingt der Kampf gegen eine allgegenwärtige überlegene Computermacht das IMF-Team dazu, sich auf analoge Techniken und Improvisationstalent zu besinnen – eine Wohltat angesichts der aktuellen CGI-überfluteten Kinolandschaft und ein schöner Kommentar der Filmemacher dazu auf einer möglicherweise unbewussten Metaebene.
Stichwort KI: Obwohl der siebte MISSION:IMPOSSIBLE bereits 2019 in Produktion ging (und dann wegen COVID mehrfach verzögert wurde – die Dreharbeiten begannen ausgerechnet in Italien), ist er inhaltlich so aktuell, wie es nur geht. Zu Beginn testet ein russisches U-Boot eine neue ultimative Kriegstechnologie und der große Gegenspieler Hunts und der ganzen Welt ist eine unkontrollierte Künstliche Intelligenz ("The Entity").
Aber wenn man weiß, dass McQuarrie und Cruise ihre MISSION:IMPOSSIBLE-Filme eher auf unkonventionelle Weise drehen, Szenen auf Basis der gefundenen Locations schreiben und wichtige Handlungsfäden noch mitten im Dreh integrieren, kann man durchaus auch annehmen, dass bestimmte Szenen und Themen erst später in den Film eingefügt wurden.
Zum Glück war die Handlung der M:I-Reihe nie besonders wichtig, so lange der MacGuffin stimmig ist, alles irgendwie kompliziert wirkt und deshalb ständig nochmal von irgendjemandem in einfachen Worten wiederholt wird, kann man sich getrost auf die Action, die Inszenierungsideen und die Charaktere fokussieren. Hunts Kernteam aus Benji (Simon Pegg, der hier als einziger sichtlich gealtert zu sein scheint) und Luther (Ving Rhames) wird gewinnbringend von Trickdiebin Grace (Haley Atwell, CAPTAIN MARVEL) verstärkt, es ist nur schade, dass Rebecca Fergusons Ilsa Faust so wenig Screentime bekommt, womöglich stand die Schauspielerin aufgrund ihrer Verpflichtungen in SILO und DUNE 2 nur kurze Zeit zur Verfügung.
Über die Actionszenen, die den Kern des Franchises ausmachen, könnte man viel schreiben, aber im Grunde muss man sie einfach erleben. Hier werden nicht nur (zugegebenermaßen exzellent inszenierte) Kamptechiken ausgestellt wie in JOHN WICK, es gibt keine überbordenden Materialschlachten wie in den DC-, Marvel- oder FAST AND FURIOUS-Filmen, die Action ist hier immer rasant, charakter- oder storygetrieben und oftmals wirklich überraschend. Die finale ausgedehnte Sequenz im und auf dem Orient-Express durch Österreich löst endlich das ein, was uns Filme wie UNCHARTED, INDIANA JONES 5 & Co. in den letzten Monaten versprochen hatten. Kurz: Das hier ist sehr wahrscheinlich der kurzweiligste und unterhaltsamste Blockbuster des Jahres, in jedem Fall aber einer der besten Actionthriller seit langem.
Fairerweise trägt MISSION: IMPOSSIBLE 7 den „Part One“ bereits im Titel, endet jedoch dankbarerweise nicht abrupt mit einem Cliffhanger (wie kürzlich ACROSS THE SPIDER-VERSE), sondern einigermaßen abgeschlossen – mit großer Lust auf mehr.