Wenn der Teufel durch den Staub Amerikas reitet
God Is a Bullet, ein Film wie ein rostiger Nagel, tief in die Wange des amerikanischen Mythos getrieben – hässlich, roh, schmerzhaft ehrlich. Nick Cassavetes, Sohn der Indie-Ikone John Cassavetes, hat schon oft mit Emotionen gespielt, aber selten so kompromisslos wie hier. Dieser Film ist kein angenehmer Kinoabend. Er ist ein dreckiger Roadtrip durch die finstersten Abgründe des amerikanischen Traumas – irgendwo zwischen True Detective, Rob Zombie und einem fiebrigen Alptraum auf Speed. Und doch: So abstoßend, brutal und nihilistisch God Is a Bullet ist, so seltsam magnetisch bleibt er auch.
Die Handlung basiert lose auf dem gleichnamigen Roman von Boston Teran – eine düstere Geschichte von Rache, Verlust und Erlösung, die sich irgendwo zwischen Crime-Thriller und metaphysischem Western bewegt. Nikolaj Coster-Waldau spielt Bob Hightower, einen Cop von jener alten, stoischen Sorte, die noch an Recht und Gesetz glaubt – bis das Leben ihm zeigt, wie wertlos diese Überzeugungen sind. Sein Leben fällt in Scherben, als eine satanische Sekte seine Ex-Frau ermordet und seine Tochter verschleppt. Was folgt, ist ein blutgetränkter Rachefeldzug, bei dem Bob Hilfe von der ehemaligen Kult-Anhängerin Case Hardin (Maika Monroe, mit einer schlicht überragenden Performance) bekommt. Sie will sich von ihren eigenen Dämonen befreien, indem sie ihn in die Welt führt, aus der sie einst geflohen ist. Daraus ergibt sich kein linearer Thriller, sondern ein Abstieg. Eine Reise durch ein Amerika, das aussieht, als wäre es von Meth und Gott zugleich verbrannt worden. Cassavetes zieht das Tempo nie übermäßig an – der Film dauert zweieinhalb Stunden –, aber erstaunlicherweise hält er die Spannung durchweg. Die Geschichte ist simpel, fast archaisch, aber Cassavetes inszeniert sie mit einer Wucht, die an die besten Tage von The Devil’s Rejects erinnert. Jeder Meilenstein auf diesem Weg ist ein weiterer Schritt hinab in die Hölle.
Cassavetes’ Drehbuch ist kein Muster an Eleganz, sondern so zynisch wie biblisch. Es pendelt zwischen Gebet und Fluch, zwischen Rache und Erlösung. Es klingt nach Schmutz, nach Whiskey, nach kaltem Schweiß. Zwischen religiösem Wahn, Zynismus und zarter Menschlichkeit entsteht ein verstörend ehrliches Porträt einer Nation im moralischen Verfall. Kein Augenzwinkern, kein doppelter Boden. Nur Schmerz. Kaum ein Film der letzten Jahre hat das amerikanische Hinterland so verdorben, so hoffnungslos inszeniert. Highways, die nirgendwohin führen. Motels, die wie Vorhöfe der Hölle wirken. Kaputte Tankstellen, Menschen ohne Zukunft – alles wirkt wie in einem Endzeitwestern, in dem die Apokalypse längst stattgefunden hat und niemand es bemerkt hat. Cassavetes’ Film ist ein Exorzismus – nicht von Dämonen, sondern von Illusionen. Das Amerika, das er zeigt, ist ein Land ohne Gnade, ohne Orientierung, ohne Erlöser. Sein Blick ist erbarmungslos, aber nie sensationsgeil. Er zeigt Gewalt nicht als Spektakel, sondern als Konsequenz. Die Action ist rar, aber wenn sie kommt, dann dann trifft sie mit biblischer Härte. Cassavetes dosiert die Gewalt – aber wenn sie explodiert, dann unerwartet und brutal. Blut, Knochen, Schreie – God Is a Bullet spart nicht mit drastischen Bildern. Die FSK 18 ist hier nicht nur gerechtfertigt, sie ist fast eine Warnung. Hätte Rob Zombie je beschlossen, seinen Splatter-Exzess mit einem Anflug existenzieller Melancholie zu versehen, es sähe wohl so aus.
Maika Monroe, ohnehin eine der spannendsten Schauspielerinnen ihrer Generation (It Follows, Longlegs), liefert hier ihre bislang stärkste Leistung ab. Case Hardin ist eine Figur zwischen Opfer und Racheengel – verletzlich, zornig, zerrissen. Eine Frau, die alles verloren hat und doch weiterkämpft. Monroe spielt diese Rolle mit einer rohen, fast animalischen Intensität. Nikolaj Coster-Waldau dagegen überrascht mit einer stillen, innerlich zersetzten Performance. Bob ist kein klassischer Held, sondern ein Mann, der in der Dunkelheit nach einem Funken Moral sucht. Zusammen bilden die beiden ein Duo, das nicht auf Romantik, sondern auf Trauma basiert. Ihre gemeinsame Dynamik ist so unberechenbar wie der Film selbst.
Fazit
Nick Cassavetes liefert hier ein Stück Kino, das sich weigert, glattgebügelt zu werden – ein Werk, das kratzt, beißt und dabei trotzdem lebendig bleibt. Ein schmutziger, verstörender, aber erstaunlich emotionaler Trip durch Amerikas kaputte Seele. Ja, er hätte gut und gerne auch von Rob Zombie stammen können – dieser schmutzige, rotzige Stil, das Faible für kaputte Gestalten, die irgendwo zwischen Apokalypse und Erlösung taumeln. Aber Cassavetes bringt etwas mit, was Zombie oft fehlt: emotionale Tiefe. Mit God Is a Bullet beweist Nick Cassavetes, dass er mehr kann als Romanzen und Familienmelodramen. Er hat ein Werk geschaffen, das weh tut, aber nicht leer ist. Ein zweieinhalbstündiger Ritt durch den moralischen Morast, eine brutale, manchmal absurde, aber immer aufrichtig erzählte Geschichte über Rache, Verlust und die Sehnsucht nach Erlösung.