Dem Arzt, dem die Abseitigen vertrauen
Anfang des Jahres noch immer Kino (verpasst), jetzt schon auf Netflix (nachgeholt). „Schock“, von und mit einem brodelnd guten Denis Moschitto, über einen engagierten und versierten Arzt, der seine Zulassung verloren hat und nun mehr oder weniger durch die Unterwelt Westdeutschlands zieht und Patienten neben dem System behandelt - was natürlich auch Risiken birgt…
Sehr spezielle Sprechstunden
„Schock“ ist behäbig - aber doch so klar und hart, dass auch die vielen ruhigen Passagen null an Druck und Sogwirkung verlieren. Moschitto spielt und inszeniert gnadenlos direkt. Die krasse Beleuchtung tut in den Augen gut. Endlich mal nicht grauer Realismus - zumindest visuell. Und seine entschleunigte Art lässt ihn noch straighter und unabdingbarer erscheinen. Ein Weg, ein Schicksal, viele Schmerzen. Ein gutes Doppel mit dem zuletzt reviewten „Asphalt City“ über zwei Krankenwagenfahrer in New York. „Schock“ ist ähnlich kalt und desillusionierend. Das ist kein Wannabe, trotz klarster Vorbilder. Wer also sowas wie „Victoria“, „4 Blocks“ oder „Gegen die Wand“ mochte, wird auch hier mit etwas Geduld und Einfühlvermögen in die leeren Blicke voll auf seine Kosten kommen. Anke Engelke in einer ungewöhnlichen Rolle. Macht sie gut. Coole, vibrierend-düstere Synthsounds. Sprache und Dialoge wirken nicht steif oder gekünstelt, ungewöhnlich für den deutschen Film. Dass einem viele Orte als Kölner bekannt vorkommen gibt einen extra Kick. Und insgesamt könnte ich von „Schock“ kaum mehr erwarten. Er ist eine runde Sache. Müsste ich etwas kritisieren, dann hätte ich ein oder zwei inhaltliche Highlights oder Setpieces in der ersten Filmhälfte noch gerne genommen. Der Aufbau des Ganzen zieht sich dann trotz aller Atmosphäre etwas. Doch ansonsten ist das höllisch authentisch - und hat mit den italienischen Wurzeln der Hauptfigur sogar noch eine persönliche Beziehung zu mir. Manchmal greift einfach ein Rädchen ins nächste. Und „Schock“ macht vieles richtig. Gefällt mir top. German Gangsterkino gets good! Schmerzhaft schön.
NRW goes NWR
Fazit: raues, stylisches Straßenkino im Neo Noir-Style zwischen „Drive“ oder „Pusher“. Und das aus good ol' Germany. Der deutsche Film zeigt Lebenszeichen!