Review

Il Nero, Hass war sein Gebet (L’odio e il mio Dio, Hate is my God)

Deutschland/Italien 1969

Regie: Claudio Gora (Emilio Giordana)

Taten statt große Worte

13. April 1873, ein enger und trostloser Raum, auf einem Stuhl sitzt ein Mann, Stephen Kearney ziemlich anteilslos, wird in eine Zwangsjacke gezwängt und dabei mißhandelt. Durch einen Schlag auf beide Schläfen fällt er bewußtlos vom Stuhl und wird in den bereitstehenden Gefangenentransporter geschleift. Szenenwechsel, weiträumiges, nobel eingerichtetes Bankiersbüro, dort halten sich 3 Männer auf, wirken sehr nervös. Es sind der Bankier Carter (Herbert Fleischmann), der Richter Smith (Gunther Philipp), der Großgrundbesitzer Field (Claudio Gora), dazu gesellt sich der Zeitungsherausgeber Oliver (Pier Anchisi) (der nur schreiben darf, was ihm aufgetragen wird). Die Stille und Spannung gleichzeitig ist kaum auszuhalten, besonders Field geht es an die Nerven. „Ob wir das Richtige tun? Warum direkt vor meinem Fenster“? Endlich hört man ein Geräusch, der Gefangenentransporter setzt sich in Bewegung. Carter und Oliver eilen auf den kleinen Balkon und schauen dem Transporter nach. Szenenwechsel, der Transporter fährt in rasendem Tempo zu einem großen Baum vor einem stattlichen Anwesen, ein Strick wird über einen großen Ast geworfen, dem noch immer bewußtlosen Delinquenten um den Hals gelegt, an den Wagen gebunden und dann nach oben gezogen und aufgeknüpft. Das alles muss ein kleiner, in Tränen aufgelöster Junge tatenlos mitansehen, es ist der kleine Bruder des Hingerichteten. Nachdem der Lynchmob sich verzogen hat, läuft der Junge zu seinem toten Bruder und klammert sich an seine Beine. Jemand trennt den Strick durch, der Tote fällt zu Boden. „Jeff, Jeff, hilf mir!“. Doch Jeff reitet davon. Geier erscheinen und attackieren den Jungen, das seine Hände bluten, er läuft davon.

Jahre später kommt der Tod nach Big Springs. Vincent Kearney (Goras Sohn Carlo Giordana), der inzwischen herangewachsene Junge und Meister mit dem Wurfmesser, hat nur ein Ziel vor Augen, RACHE!! Gleichzeitig erscheint auch noch ein mysteriöser, ganz in schwarz gekleideter Fremder (Tony Kendall), der einen kleiner Hund dabei hat, wobei nicht klar ist und wird, ob es geplant war, dass beide dort auftauchen. Die Schergen des korrupten Dreigestirns empfangen den Fremden im Saloon sehr unfreundlich. Auf Grund Ihrer 4:1 Dominanz wähnen sie sich überlegen, er wird von einem angebrüllt. „Verschwinde, ich will dich hier nicht mehr sehen“, dass ihm der Speichel aus dem Mund läuft. Der Fremde bleibt wortlos. Seinen kleinen Hund zu treten, erweist sich als fataler Fehler und als Folge dessen verziert ein kleines Einschussloch seine Stirn. Als in diesem Moment auch noch Vincent den Saloon betritt, bleibt den restlichen 3 nichts übrig, als zu verschwinden. Die beiden Männer trinken wortlos einen Whiskey und trennen sich dann wieder. Der Fremde steigt auf sein Pferd und reitet davon, Vincent geht zum Zeitungsverleger. Dort sucht er die Zeitung aus dem Archiv, in der von der Hinrichtung seines Bruders berichtet wird. Er nimmt einen Block, Tränen laufen ihm aus den Augen und notiert 3 Namen darauf reißt ihn ab und geht. Oliver nimmt einen Stift und fährt die Abdrücke nach, Smith, Field und Carter.

Dem Richter Smith wird sofort vom Mord berichtet und er veranlasst, dass der Fremde festgenommen und am besten dann gleich, natürlich nach einem kurzen Prozeß, gehängt werden soll. Nachdem eine Dame namens Blanche (Goras Frau Marina Berti) im Gerichtsgebäude auftaucht, beauftragt er den Gerichtsdiener, diese raus zu werfen und bleibt allein im Zimmer zurück. Vincent tritt herein, Smith erschrickt, er beteuert unschuldig zu sein und schiebt die Schuld auf Carter und Field. Dies beeindruckt Vincent in keinster Weise und er legt ihm wortlos eine Pistole hin, dreht sich um und geht zur Tür. Smith nimmt die Waffe und wähnt sich sicher, Vincent zu erschießen, als sich dieser plötzlich umdreht und ihm ein Messer ins Herz wirft. Der erste Name aus seiner Liste kann gestrichen werden.

Dem Fremden gelingt es inzwischen, aus dem Gefängnis zu entkommen und flieht mit dem Gefangenentransporter. In einer rasanten Verfolgungsjagd mit einem abrupten Ende kann er die Verfolger erledigen und kommt dann gerade noch rechtzeitig auf Fields Anwesen, um Vincent vor dem Tod durch Jeff, seinem ehemaligen Freund, zu retten und diesen auf grausame Weise zu töten, während Vincent im Herrenhaus Field einen Besuch abstattet und diesem einen Gruß aus Solingen überbringt. Jetzt bleibt nur noch ein Name aus der Liste übrig.

Da Carter ganz genau weiß, was ihm blüht, lässt er den bekannten Berufskiller Sweetly (Venantino Venantini) mit seiner ganzen Bande von Halsabschneidern holen. Dieser arrogante aber gefährliche Schnösel wähnt sich sicher, dieses kleine lausige, verdreckte Nest am Abend wieder verlassen zu können.

Aber soll man den Tag vor dem Abend loben?

Welche Rolle spielt Sweetly, kennen sich dieser und der Fremde und haben die Beiden noch eine alte Rechnung offen?

Kann Vincent seine Rache vollenden?

Einmalig, bizarr, irrwitzig, völlig verrückt, außergewöhnlich, überspannt, seltsam, grausam, rätselhaft, still, stark symbolisch, düster und schroff, so kann man am besten den einzigen IW von Regisseur Claudio Gora bezeichnen. Entstanden auf dem Höhepunkt des IW konnte man sich ein Experiment leisten und dieses auch erfolgreich umsetzen. Aber das erschließt sich dem Betrachter auch nur, wenn das Ganze als Einheit betrachtet wird und nicht einzelne Handlungsstränge isoliert betrachtet werden. Den Film als Ganzes auf sich wirken lassen. Selbst ein mehrfach gezeigter Fliegenfänger im Büro von Carter ergibt dann einen Sinn. Gibt es einen vergleichbaren IW, in dem die beiden Hauptprotagonisten kein einziges Wort verlieren (abgesehen von der Figur des Silence, dem die Stimmbänder durchtrennt wurden und deshalb nicht mehr sprechen kann)? Selbst die Filmmusik von Pippo Franco ist weit entfernt von der üblichen IW-Musik; manches erinnert eher an Zirkusmusik oder an einen Stummfilm, fügt sich aber nahtlos in den Film ein, wenn wieder das Ganze betrachtet wird. Franco tritt in dem Film übrigens auch auf, der Gitarre spielende Straßenmusikant. Das Lied L'americana, ein sarkastischer Kommentar auf die Geschehnisse, wurde leider aus der deutschen Fassung entfernt.

Medium: Deutsche Fassung mit einer Laufzeit von 1:30:26 von Amazon Prime sowie eine Bootleg DVD mit englischen Untertiteln mit einer Laufzeit von 1:32:20 und mit einer ca. 5 minütigen Szene, in der Vincent Unterschlupf bei Blanche findet, diese wurde in der deutschen Fassung ausgelassen. Sie erzählt Vincent weitere Details, dass sie seinen Bruder gut kannte, dass er den Mord, für den er gehängt wurde, aus Notwehr begangen hat. Er widersetzte sich Carter und seinen Konsorten, sie brandmarkten ihn als geisteskrank, um ihn zum Schweigen zu bringen, er wurde zum Töten gezwungen, verurteilt und gehängt. Durch diese Szene bekommt der Auftritt von Blanche auch einen Sinn. Sollte es eine vollständige Fassung des Films geben, so wird vielleicht auch die eine oder andere Ungereimtheit oder noch offene Frage gelöst bzw. beantwortet.

Deshalb leider 1 Stern Abzug aber 9 Sterne sind doch schon was.

Es ist zu hoffen, dass die schon länger angekündigte Blue-Ray Veröffentlichung den Film in vollständiger Fassung und in HD-Qualität präsentieren wird!



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