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In einer fiktiven dystopischen Stadt sinnt Boy auf Rache. Die dort mit harter Hand herrschende Familie Van Der Koy hat dessen Familie auf dem Gewissen, aufgezogen und trainiert wurde er im Anschluss von einem namenlosen Schamanen in der Pampa. So begibt er sich nach Jahren auf seinen Feldzug, gerade passend zu einem Event, bei dem zwölf für die tyrannische Familie unliebsame Mitbürger zu Tode kommen sollen.

Die Geschichte ist nun wirklich kein Shakespeare, die Umsetzung ist hier das Verkaufsargument. Das Langfilmdebüt von Moritz Mohr fühlt sich an wie eine Comicverfilmung, nur eben ohne entsprechende Vorlage. Irgendwo in der Schnittmenge von „John Wick“, „Hunger Games“ und vielleicht „Deadpool“ trifft der Streifen einen Nerv, den er zwar nicht perfekt, aber mit Verve kitzelt.
Seine Pluspunkte sammelt „Boy Kills World“ in den Actionsequenzen. An diesen ist der Streifen nicht arm und auf ihnen liegt auch das Hauptaugenmerk. Dabei fühlt man sich öfters an andere Genrekollegen erinnert. Plansequenzen werden präsentiert, der Härtegrad ist nicht zu verachten (wenn auch leider viel mit CGI umgesetzt wurde) und die Rachethematik passt ebenso ins Bild. Dennoch ist das hier in seiner Ausführung eine Nummer kleiner als bei den Vorbildern. Die Spielereien an der Bildfrequenz und manche sichtbaren und wohl nicht so gewollten Schnitte sorgen trotz der vorhandenen Intensität für etwas weniger Wirkung. Auf der anderen Seite bietet Mohr in diesen Sequenzen einige fetzige Ideen und allein dafür lohnt sich das Reinschauen schon.

Auch für den Witz, denn die Chose ist mitnichten bierernst. Zumindest in der ersten Hälfte sorgen die inneren Monologe des Protagonisten, die Interaktionen mit seiner Schwester und manche ins Bild gerückte Aktion für Erheiterung. Ein Highlight ist hier der schwer zu „lesende“ Benny, der für manch merkwürdigen Einspieler verantwortlich ist. Leider verliert der Film irgendwann diese Leichtigkeit und stellt mehr Drama in den Vordergrund, liefert dazu noch einen etwas aufgesetzt wirkenden Twist und ist mir szenenweise immer wieder zu geschwätzig - insbesondere auf Seiten der Antagonisten. Die irgendwann angedachte Tiefe geben weder Figuren noch Geschichte her, da hätte der Film gerne auf dem Ton der ersten Hälfte durchziehen und dabei eine gute Viertelstunde kürzer sein dürfen. Gerade im Mittelteil (TV-Show) tritt man zu sehr auf die Bremse, was ob des bis dahin guten Flusses irritierend wirkt.

Darstellerisch ist „Boy Kills World“ in Ordnung. Bill Skarsgård hat die passende Physis, kommuniziert über diese und seine Mimik nach außen, seine von H. Jon Benjamin beigesteuerte innere Stimme reflektiert das Geschehen je nach Stimmung. Yahan Ruhian darf ebenso was zeigen, seine Auftritte wirken immerhin nicht verschwendet. Auf der Schurkenseite gibt‘s viel Kanonenfutter, mit Famke Janssen, Sharlto Copley, Brett Gelman und Michelle Docker solide Gegenspieler und -innen, lange im Gedächtnis bleiben sie allerdings nicht.
Die musikalische Untermalung hier und da schon. Wenn während der Beseitigung diverser Schurken im Hintergrund Polka erklingt, dann hat das schon was.

„I don't think you know how disguises work.“

Irgendwo zwischen „John Wick“ und „Deadpool“ findet sich das Langfilmdebüt von Moritz Mohr ein und ist beileibe kein schlechtes. Trotz der Länge, trotz des tonalen Umschwungs und trotz der nicht immer flüssigen technischen Umsetzung, die bei der Fülle an Ideen (oder eben Anlehnung an Genrekollegen, Anm. d. Red.) Besseres verdient hätte. Dennoch ist das Ergebnis für Actionfreunde einen Blick wert, denn „Boy Kills World“ geizt nicht mit Härte und mit zeitweiligem Tempo. Der Humor sitzt oft und insgesamt macht das Teil, bei entsprechender Erwartungshaltung, durchaus Laune. Nächstes Mal nur bitte mehr an der ersten Hälfte orientieren.

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