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Nicht jeder Film braucht eine großartige Exposition, keine lange Charaktereinführung, Beschreibung des Szenarios.
Manchmal genügt eine kurze Einblendung. Das Jahr ist 1805, das Schiff heißt „HMS Surprise“ und das Ziel heißt „Archeron“ und kommt aus Frankreich. Hinein ins Vergnügen.

„Master und Commander“ ist die Verfilmung eines der Bücher aus der gleichnamigen Erfolgsreihe, es ist nicht das erste und nicht das letzte und das merkt man trotz aller Bemühungen ziemlich. Obwohl das relativ frisch rüberkommt, ist es ungewohnt, einfach mal so in die Handlung hineingeworfen zu werden. Wir sind schon auf See, das Ziel bekannt und jetzt geht es uns wie jedem der überwiegend jungen Matrosen und Offiziere auf dem Schiff von Lucky Jack.
Der wird gegeben von Russel Crowe und hat ebenfalls keinen heroischen Auftritt, wie überhaupt nichts hier hollywoodesk bemüht oder forciert aussieht. Crowe tritt einfach aus der Kabine an Deck, als zum Gefecht gerufen wird.
Offensichtlich macht Peter Weir ernst und präsentiert dem Publikum einen hinreichend realistischen Blick in den Seealltag des frühen 19.Jahrhunderts.

Und der bekommt beachtlich authentisch daher. Die Kamera schwelgt in Schiffsaufnahmen, auf Deck, unter Deck, Enge, Muffigkeit, harte Arbeit, wildes Wetter. Da können Abenteuerfans mit einem letzten Hauch von Realismus endlich wieder so richtig genießen.
Das gilt ganz besonders für die Seegefechte, denn kaum fünf Minuten im Film, wird unsere „Surprise“ ganz dolle überrascht und von den Franzosen zu Klump geschossen. Wahrlich zu erleben natürlich nur in Dolby-THX-Surround, wenn die dicken Kugeln große Stücke aus dem Schiffsrumpf fetzen und uns die Splitter direkt ins Gesicht pusten. Wenn es kracht und dampft und Matrosen wie wild durch die Luft gewirbelt werden.
Einmal am Anfang und einmal am Ende geht es zur Sache, beim zweiten komplett mit Entern und Infight, ansonsten stellt sich der Film als eine Rekapitulation der vielverfilmten Katz-und-Maus-Situation dar, in der zwei Taktierer sich gegenseitig belauern. Das tut der Spannung aber keinen Abbruch, genauso wie die Tatsache, daß man die Tricks des Films eben NICHT sehen kann, ihn über alle Maßen stärken.

Weniger orginell, sondern mehr ein Konglomerat aus bekannten Seefahrerideen (dank des Realismus erlaubt das Skript keine echten Kapriolen), ist der Rest des Plots. Alle Zutaten sind zusammengeworfen: ein fieser Sturm, ein menschliches Notopfer, eine Amputation, eine Flaute, Seemannsaberglaube, ein Selbstmord, etwas Spannung zwischen dem Kapitän und dem Arzt, alles schön der Reihe nach abgearbeitet.
Nur einmal schlägt der Film etwas aus der Art, wenn Arzt Maturin sich mittels Spiegel selbst eine Kugel herausoperiert, ohne mal vor Schmerz aufzuschreien. Der amputierte Junge biß ja wenigstens auf ein Kantholz!

Was zu kurz kommt, sind Charakterisierungen. Crowe erhält etwas Platz und löst seine Aufgabe mit rauem Charme brilliant, aber die junge Besatzung (darunter „Pippin“ Billy Boyd) ist größtenteils austauschbar, wenn auch einige eine gute Szene zugeteilt bekommen.
Das Ende, das auch noch eine mögliche Fortsetzung andeutet, leitet dann vollends über in das Gefühl eine Ausschnittzeitreise präsentiert zu bekommen, die einzige Folge einer (prachtvollen) TV-Serie, die man zufällig sehen konnte.

„Master und Commander“ hat seine technischen Oscars sicher verdient und der eine oder andere mehr, wäre sicher auch nicht verkehrt gewesen. Es ist ein spannender, heutzutage fast retro wirkender Historienabenteuerer, aber sicher kein überragendes Drama.
Dagegen muß man jedoch konstatieren, daß man solche Filme heute einfach zu selten sieht und für so intensive und sorgfältige Unterhaltung im Zeitalter von „Van Helsing“ dankbar sein sollte. (8/10)

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