„Feindliche Übernahme – althan.com“ ist kein besonders großer Film, aber warum er nie eine Video- oder DVD-Veröffentlichung erfuhr, ist mir dennoch schleierhaft.
Gerade der Beginn gehört zu den besten Teilen des Films: Robert Fernau (Thomas Kretschmann), Sicherheitschef des Althan-Konzerns, und sein Ziehvater Willi Konrad (Klaus Löwitsch) liefern sich ein Duell mit hölzernen Kendo-Schwertern. Optisch sehr schick gemacht, ziemlich gut choreographiert und für einen deutschen Actionfilm fast schon beeindruckend.
Doch dann wird es schon stereotyper: Potentieller Held trifft neue PR-Frau, Laura Schumann (Desiree Nosbusch), also potentielles Love Interest für den späteren Filmverlauf. Bei einer Demonstration schleicht sich dann noch eine Horde gewissenhafter Pseudo-Terroristen ins Gebäude und man glaubt bereits zu wissen, wie der Film endet, aber „Feindliche Übernahme“ kann hier noch mal überraschen. Doch Robert erkennt, dass die Brüder nur Wasserpistolen tragen und schreitet ein. Eine der wenigen handfesten Wendungen, doch dann geht es bergab.
Was folgt ist Genrestandard: Robert wird suspendiert (Klischee lass nach), weil die fiesen Schurken ins Gebäude gekommen sind, man kidnappet ihn genau in dem Moment (!), indem er abends einen Entschuldigungsbesuch von Laura erhält und will ihn dazu zwingen, das Sicherheitssystem von Althan zu knacken. Da Laura in Gefahr ist, lässt er sich darauf ein, versucht aber Widerstand zu leisten so gut es geht…
Die wenigste Schuld am Versagen von „Feindliche Übernahme“ trägt Regisseur Carl Schenkel, denn optisch präsentiert sich der Film voll auf der Höhe. Zudem kann Schenkel ja auch spannende Filme machen (siehe „Abwärts“ oder „Exquisite Tenderness“), sofern man ihm ein vernünftiges Drehbuch vor die Füße klatscht. Doch genau das fehlt diesem Film: Fängt es noch recht flott an, lässt die Spannung spätestens zur Halbzeitmarke derbe nach, da sich der Film hier sehr zieht. Vor allem die Kletterpartie an der Außenwand nervt nach einer Weile ziemlich, aber genau darauf scheint der Drehbuchautor besonders stolz zu sein und feiert sie in epischer Breite ab.
Über die Nachvollziehbarkeit des Ganzen breitet man auch besser den Mantel des Schweigens, denn andauernd versucht hier jeder jeden zu betuppen und hat immer ein Ass in der Hinterhand. Immerhin kommt trotz dieser Abstrusitäten am noch Spannung auf, denn hier legt der Film noch mal ordentlich Tempo vor, dass man vorher so schmerzlich vermisste. Auf Charakterebene funktioniert der Film dafür ganz ordentlich; vor allem die Beziehung zwischen Robert und seinem Ersatzvater Willi ist ein netter Einfall.
Leider kann die Action das faserige Script nur teilweise ausgleichen. Denn es gibt viel zu wenig davon (wenn man die ermüdende und nur anfangs spektakuläre Kletterei mal beiseite lässt): Zwei kleinere Kampfszenen, der eine oder andere Stunt sowie ein kurzer Schusswechsel zum Schluss. Insgesamt wenig berauschend, aber die Inszenierung der wenigen Action ist wirklich sehenswert. Vor allem die Nahkämpfe sind überraschend gut choreographiert, zumindest für deutsche Verhältnisse.
Thomas Kretschmann macht einen soliden Job und auch Klaus Löwitsch ist ziemlich gut. Desiree Nosbusch gibt apathisches Inventar ab, aber die meisten Terroristen wirken doch arg überzogen. Zumal man sich bei der Terrortruppe eh ständig fragt, ob sie nicht sogar dabei versagen würden sich allein die Schuhe zu binden. Martin Semmelroge ist nicht schlecht, aber wenn man seine Rolle als Schlucke in „Bang Boom Bang“ im Hinterkopf hat, dann fällt es schwer ihn noch als gefährlichen Gangster zu sehen. Die Nebendarsteller sind ganz routiniert, zumindest für deutsche Verhältnisse.
Mit besserem Script und mehr Action wäre bei „Feindliche Übernahme“ deutlich mehr drin gewesen, aber so bleibt trotz schicker Optik nur unterer Durchschnitt.