Review

Was werden die Filmfreaks doch verwöhnt in den letzten Wochen dieses gottverlassenen Jahres 2023. Zweitausenddreiundzwanzig. Unfassbar, wie stark das Empfinden anzieht, die Zeit verginge wie im Flug. Mit jeder Woche legt die Wahrnehmung in der Hinsicht um mindestens einen Level zu. Da ist ein Film wie Fincher's neuer Streich „The Killer“ eine wohltuende Erscheinung. Der Film nimmt sich nämlich Zeit. Sehr viel Zeit. In einem ruhigen, fast einlullenden Tonfall beschreibt Michael Fassbender, worauf es ankommt, ein erfolgreicher Auftragskiller zu sein. Wer da das Gefühl bekommt, alles sehr schwermütig, fast depressiv, könnte da absolut richtig liegen. Aber trotzdem, oder vor allem deswegen (?) klingen die Worte sanft, beruhigend und eben nicht wie ein Roboter. „Warmherzig“ trifft es dabei aber auch nicht ganz, manchmal eher prätentiös. Und wie alles bei einem Fincher-Thriller ist auch der Tonfall Fassbenders nicht dem zufällig mehrdeutig. Er ist gleichzeitig eiskalt, hochintelligent, und zu Mitgefühl in der Lage, falls die Situation es verlangt.

Der Auftakt ist übrigens alles andere als langatmig, ich könnte ihm stundenlang zuhören. Natürlich, Spoiler -!-, geht der Anschlagsversuch in die Hose, im letzten Moment wird die Kugel von einer anderen Person abgefangen, weil er nur für den Bruchteil einer Sekunde abgelenkt, oder eben einen winzigen Moment zu spät zurück auf das Ziel fokoussiert ist.

Das setzt eine Lawine an Ereignissen in Bewegung, deren Verlauf manchmal regelrecht hypnotisch ist. Der Soundtrack liefert dabei wirklich in jedem betreffenden Moment die richtige Untermalung. David Fincher hat mal wieder mit Trent Reznor zusammengearbeitet und wenns nach mir ginge, dürfte diese Kombination bis ans Ende aller Tage halten. Diese, im Hier-und-Jetzt stattfindenden Thriller, ganz speziell von Fincher, schreien geradezu Nine Inch Nails, pardon: Trent Reznor. Bin das nur ich, oder klingt er auf dem vorliegenden Soundtrack mehr denn je nach seiner alten Band?

Und wenn ihr jetzt mit „bei einer objektiven Kritik darf es keine persönliche Beteiligung in Form eines Ich-Erzählers und persönlicher Gedanken geben“ kommt, dann „screw YOU“, besonders auf der Ofdb Plattform geht’s doch ganz besonders um die eigenen Erfahrungen mit den zu besprechenden Produkten. Wir liefern hier doch keine Buchbesprechung für den Deutschunterricht ab. Alle meine Kritiken werden ausnahmslos mit eigenem Bezug formuliert, ich verstecke meine persönliche Beteiligung doch nicht hinter geistreichen Schutz-formulierungen.

Das nur mal so nebenbei, um dieses Thema entgültig zu den Akten zu legen.

Apropos „zu den Akten“ legen: großartig, wie Michael Fassbender nach dem fehlgeschlagenen Auftragsmord und dem daraus resultierenden Anschlag auf sein Leben und das seiner Lebensgefährtin die Spur zu den eigentlichen Auftraggebern zurückverfolgt. Methodisch, intelligent und zu jeder Sekunde nachvollziehbar.

Fincher kann einfach perfekt inszenieren, wie eine Hauptfigur mit wenigen Informationen den Hintergrund der Beweggründe der fiesen Möbs aufdröselt.

Dieser Detektivarbeit schaut man liebendgerne gebannt zu. Vor allem, weil alles Sinn ergibt. Fassbender tut sein Übriges, die Beziehzung zum Zuschauer aufrecht zu erhalten. Das gelingt ihm so gut wie kaum ein Zweiter in Hollywood heutzutage.

Am Ende bleibt ein wirklich starkes, stark gespieltes, stark formuliertes und vor allem stark geFILMtes Thrillerabenteuer für Erwachsene, das sich besonders zu Beginn Zeit nimmt, den Zuschauer aber schon ab den ersten Klängen von Michael Fassbenders magnetischer Stimme einfängt und aus dem Haltegriff über die komplette Laufzeit nicht mehr loslässt.

Irgendwie lässt Fincher im Alter nicht nach und liefert qualitativ hochwertige Arbeit, eventuell so stark und „zusammenhängend“ wie schon lange nicht mehr. Er ist vielleicht der beste Thriller Regisseur unserer Zeit.

Ach und hab ich die unglaublich schöne Kameraarbeitvon Erik Messerschmidt gewürdigt? Nein? Nun, ohne eine klare und saubere Kameraarbeit, ohne diese Ruhe und Souveränität, wäre dem Film vielleicht nicht unbedingt schwerer zu folgen gewesen, aber ganz sicher wäre die Reise beschwerlich und nervig geworden. Gott, ich HASSE diesen Trend, der aus dem Action- und ganz besonders dem Horror-Genre rübergeschwabbelt ist, dieser eine nervtötende Trend, einfach wild rumzufuchteln und stupide rein- und rauszuzoomen. Diese Hektik, die sieht man bei Fincher-Thrillern vergeblich. Und dafür danke ich dem Herrn. Wundervoll zu sehen und zu erleben, dass er mit der Zeit nichts von seinem alles überstrahlenden Talent verloren hat. Eine Wohltat in diesen stressigen Zeiten.


Kleiner „Tipp“ am Rande: macht euch ein perfektes Filmwochenende indem ihr Freitag „The Killer“ und Samstag „Killers of the Flower Moon“ von Scorsese guckt. Das ist ein 1-2 Punch, der euch auf die Bretter schickt, und die komplette Konkurrenz in ihre Schranken verweist.

Details
Ähnliche Filme