Du, Leser dieser Zeilen, du bekennender Filmfan, wärst Du nach dem Genuss unzähliger Gangsterfilme gerne Auftragskiller geworden? Einer dieser coolen und um die Welt jettenden Männer, die alle Probleme mit Logik und Gewalt lösen können, und die Böses tun, sich in fast unbeschränktem Geld aalen, und dabei ein Leben so weit entfernt vom alltäglichen Spießbürger-Hamsterrad leben wie nur möglich?
David Fincher zeigt uns, wie so ein Leben aussehen kann. Sein namenloser Held erledigt Aufträge, bei denen er andere Menschen tötet. Seine stärksten Waffen sind dabei das strukturierte Vorgehen, sein Können als Scharfschütze, sowie die fast unendlich erscheinende Fähigkeit, Langeweile zu ertragen. Er hat seine Prinzipien, die er uns auch immer und immer wieder aufzählt, und er beherrscht seinen Job. Bis zu diesem Tag in Paris, als etwas verdammt schief geht, und er seinen Job eben nicht erledigt. Es ist für ihn kein Problem aus Paris raus zu kommen, und mit ein paar kleineren Umwegen kommt er auch bis nach Hause, dort aber ist seine Lebensgefährtin das Ziel einer Vergeltungsaktion für seinen eigenen Patzer geworden. Mächtig böser Fehler, denn nun geht der Mann auf die Suche nach den Verantwortlichen für die Vergeltung. Und er ist bereit, alle seine Prinzipien dabei über Bord zu werfen, Hauptsache er kann Blut vergießen.
Empathie ist Schwäche, eine der Maximen des Mannes ohne Namen. Und doch ist dies die erste Weisheit gegen die er selber verstößt, andernfalls gäbe es zugegebenermaßen THE KILLER nicht. Wir begleiten also den Mann auf seiner Reise durch den nordamerikanischen Kontinent, wie sehen ihn töten, wir schauen zu wie er fast getötet wird, und wir sehen, wie er sein Ziel erreicht. Und uns dabei immer wieder seine strukturellen Grundsätze aufzählt - Gegen die er im gleichen Moment verstößt. Ein interessantes Vexierspiel in kühlen und emotionslosen Bildern, das diesen kühlen und emotionslosen Mann bei einer Aufgabe zeigt, die seine Emotionen nach außen kehrt. Eine spannende und gleichermaßen kühle Abfolge von Vorgängen, aus Gefühlen geboren und gefühllos dargebracht. Kein JOHN WICK in einem schnell geschnittenen und überbordenden Todesballett, sondern eher an Melvilles DER EISKALTE ENGEL erinnernd. Ein moderner Thriller, der eine schon oft erzählte Geschichte aus einem anderen Blickwinkel erzählt, nämlich aus der beziehungslosen Ich-Perspektive des Killers. Seine Gedanken begleiten uns ab er der ersten Minute und bis zum Ende, wir hören die Musik die er hört (meistens das unerträgliche Genöle der 80er-Schrammelkapelle The Smiths), und wir üben uns mit ihm in Geduld, wenn es heißt zu warten. Dabei tritt aber niemals Langeweile auf, Fincher weiß genau was er wie tun muss um ein optimales Ergebnis zu erzielen, Etwas, was er mit seinem Protagonisten gemein hat – Professionalität und ein starker Hang, den Beobachter zu überraschen. Dabei sind die grundsätzlichen Elemente des Films, knüppelharte Action auf der einen, Heist-artige Abläufe auf der anderen Seite, und die Suche des Mannes dazwischen, erstklassig verteilt, und lassen keine Langeweile zu. Zugegeben, dem Killer dabei zuzusehen, wie er tagelang auf etwas wartet, kann (Konjunktiv) öde sein. Muss es aber nicht, da Fincher dieses Warten mit den richtigen Bildern und den richtigen Monologen unterfüttert, und damit eine Grundspannung aufbaut, die in keiner Sekunde nachlässt.
Damit setzt sich THE KILLER sehr geschickt zwischen die Stühle: Hier der schicke und angesagt-stylische Thriller über einen Auftragskiller, dort der unter Umständen enervierende Alltag eines Menschen, der dafür bezahlt wird, zu warten. Seine Geduld und seine Voraussicht unter Beweis zu stellen. Und in dem Augenblick, in dem es verlangt wird, geradezu zu explodieren und körperlich und geistig alles zu geben, nur um anschließend wieder in eine Art Stasis zu verfallen. Ein spannendes und abwechslungsreiches Wechselspiel der Gefühle und der Stimmungen, das zwar sicher ein wenig Entgegenkommen seitens des Zuschauers benötigt, dafür aber in dieser Art Film deutlich über dem Durchschnitt liegt.