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Als langjähriger Mit- und Zuarbeiter für Clint Eastwood, als Angestellter in Regieassistenz dessen Malpaso Productions seit 1994 in aufsteigender Funktion begleitend, ab Blood Work (2004) auch zehn Jahre lang (bis American Sniper) für dessen Regiearbeiten als Produzent zuständig, hat sich Robert Lorenz mit dessen Hilfe und Unterstützung seitdem auch als Regisseur selber probiert, Trouble with the Curve (2012) als das eigene Regiedebüt. Die Wege beider haben sich seitdem getrennt, Eastwood ist 'alleine' weiter fleißig, Lorenz hat sich mit Liam Neeson quasi die etwas jüngere Ausgabe davon als neuen Mitstreiter ausgesucht, der durchaus gelobte The Marksman (2021) dabei mit deutlichen Einflüssen des Lehrmeisters, das nunmehr dritte Regiewerk In the Land of Sinners and Saints geht dabei eigene Wege, sucht sich neue Ziele, nur die Zielgruppe selber bleibt wahrscheinlich gleich, das fundierte Actiondrama/-thriller.

Abgesehen von dem missglückten Marlowe (2022) ist das Projekt hier wahrscheinlich auch das mit den meisten Bemühungen hinsichtlich Originalität und Qualität, wurden zuvor eine Reihe von mäßigen Remakes verzeichnet und ebensolchen anderen Actionthrillern, die sich auf früheren Erfolgen ausruhten und 'alte' Zeiten beschworen; so lang ist die zweite Phase der Karriere von Neeson als tatkräftiger Heroe nun auch noch nicht her. Das Publikum erst darauf angesprochen und angesprungen, dann übersättigt und abgesprungen, hier jetzt ein etwas, aber nicht gänzlich anderes Szenario, eine Rückkehr in die ursprüngliche Heimat Nordirland zumindest und auch eine Verzögerung, es geht ins Jahre 1974:

Der im Nordwesten Irlands zurückgezogen lebende, für Robert McQue [ Colm Meaney ] als Auftragskiller tätige Finbar Murphy [ Liam Neeson ] bekommt eines Tages nicht nur schwerwiegende Überlegungen über die Fortführungen seiner Tätigkeit, die er zukünftig gerne dessen Adoptivsohn Kevin [ Jack Gleeson ] 'anvertrauen' würde; als auch Ärger mit einer sich im Ort versteckenden paramilitärischen Gruppierung, die für ein freies Nordirland auch über Leichen gehen. Murphy, dem diese Gefährlichkeit nicht bewusst ist, kommt in engeren Kontakt mit Curtis June [ Desmond Eastwood ], was wiederum die Aufmerksamkeit dessen Schwester, Doireann McCann [ Kerry Condon ] auf sich zieht, und mit der nicht zu spaßen ist. Währenddessen bekommt auch der lokale Polizist Vinnie O'Shea [ Ciarán Hinds ] einige Merkwürdigkeiten in seiner bisher allzu ruhigen Örtlichkeit mit.

Belfast der Ausgangspunkt, das Land im Bürgerkrieg, im Privatkrieg, die Bedrohung spürbar und deutlich, an Kleinigkeiten schon festzumachen, die geringsten und simpelsten Bewegungen wirken aktiv oder passiv gefährlich. Eine geparkte Autobombe zerreißt einen Pub, die Insassen in ihm, die Passanten davor, eine Mutter und zwei Kinder, der Anschlag war gewollt, die 'Kollateralschäden' nicht, aber in Kauf genommen, Blut klebt an den Händen, Trauer in der Seele, der Anfang eine Anarchie, das Finale auch chaotisch. Es geht raus aus der Stadt, es geht raus aufs Land, an das Küstengebiet, es ist gleichzeitig ruhig und stürmisch, sowohl vom Wind her, der alles wegbläst, als auch von den Menschen, so wenige dort leben.

Das Willkommensschild am Eingang des Ortes ist zerstört, es wurde bei der Flucht der Terroristen umgerissen, es bleibt nicht das einzige, was auch hier an diesem Fleckchen Erde noch kaputtgeht oder schon kaputtgegangen ist; die Inszenierung lässt sich Zeit und Muße für ihr Porträt der Menschen, sie wirkt rau und kräftig in den Bildern, sie stemmt sich gegen die Natur der Landschaft und die Natur der Bewohner, der Geschöpfe hier. Optisch könnte auch ein gemütlicher Krimi hier spielen, Agatha Christie wird als Lektüre vom Polizisten empfohlen und erwähnt, daraus wird nichts, es wird ein intimer Polit-, und Psychothriller. Neeson – der hier nicht nur Einzelkämpfer ist, sondern auch Mentor und Freund und Vaterfigur – schultert die Waffe früh, er hat zeitig das Gewehr in den Händen, er braucht es auch bald, die Gegenüber haben auch welche.

Moralisch zwiespältig wird das angegangen, je ruhiger zuweilen die Flora und Fauna in der Grafschaft Donegal, 'The forgotten county', desto zerklüfteter, an Überraschungen reicher die hantierenden Personen hier. Eine Entführung, eine Hinrichtung, vorher wird noch das Grab ausgehoben, und eine einzige Minute zum Reden und Resümee ziehen geschenkt. Gewalt und Tod bestimmt den Film hier, da kann noch so viel gesungen und Musik gehört und der Kunst der Gemälde gefrönt und Dostojewski gelesen werden, damit wird sich abgelenkt; es geht peripher um einen Auftragskiller, einer der aussteigen und eine andere Art von Leben will, es geht um Schuld und Sühne. Der Erzählrahmen ist äußerlich genreaffin, er könnte genauso gut im Hier und Heute, im zeitgenössischen Mittelwesten Amerikas oder anderweitig spielen; er lebt und legt auch genug Gründe vor, warum er so ist wie er ist, warum er es nicht tut und wie auch The Marksman auf seine kleine altmodische Art und Weise zu etwas Besonnenen und etwas Besonderem wird.

Denn kurz nur wird die Freiheit genossen, es werden Pläne gemacht, die Kamera folgt dem Mann beim versuchten Neuanfang, bei Erinnerungen und Gesprächen, beim Abschied nehmen. Es werden Entdeckungen angestellt, Geheimnisse offenbart, hinter die Fassade geschaut, sich dann zu sehr für seine Nachbarn interessiert. Der Mann kommt nicht von da, er ist aus Dublin, er ist schon ewig Witwer, er hat nichts zu verlieren. Es wird versucht, sich herauszuhalten, die Regie geht seine Geschichte ruhig an, sie geht keine Wagnisse ein, sie legt Zeugnisse ab, sie legt Wert auf die Feststellung der Situation und die damit verbundenen Probleme, Lösungen, Risiken, es brodelt unter der Oberfläche, es wird einmal vorgewarnt, dann wird sich drum gekümmert. Dabei läuft nicht alles glatt nach Plan, so gar nicht, die Bilder sind kräftig bis edel gar, die Handlung hat ihre Ausreißer, ihre Wendungen, ihre Umwege, ihre Aussetzer, ihre Verluste, sie lebt auch vom entsprechenden Kolorit, vom Dialekt, vom Emotionellen, vom Allgemeinen und Speziellem.







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