Wenn Trash zu sauber wird
Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis jemand auf die Idee kommen würde, den vielleicht kultigsten Müllhaufen der Filmgeschichte neu aufzuschütten. The Toxic Avenger – das war 1984 eine kleine, stinkende Sensation: ein anarchisches, schamlos billiges, politisch maximal inkorrektes Trashfest aus den Troma Studios, das so sehr nach Chemieabfall roch, dass man es förmlich durch den Bildschirm riechen konnte. Vierzig Jahre später nun also das Remake – und mit Peter Dinklage, Kevin Bacon und Elijah Wood eine Besetzung, die eher nach Hollywoods schräger A-Liste klingt als nach Independent-Underground. Die Frage, die sich stellte, bevor der erste Tropfen toxischer Suppe über den Bildschirm floss: Kann man so etwas überhaupt neu aufsetzen, ohne den Spirit des Originals zu verraten? Nach rund hundert Minuten Spielzeit lässt sich sagen: Man kann es versuchen. Aber es wird schwierig, wenn man sich dabei die Hände nicht schmutzig machen will.
Regisseur Macon Blair, selbst einst als Indie-Außenseiter bekannt geworden (Blue Ruin, I Don’t Feel at Home in This World Anymore), wagt mit „The Toxic Avenger“ den Versuch, den ruppigen, subversiven Charme der 80er-Videothekenzeit in ein zeitgemäßes Gewand zu überführen. Die Geschichte bleibt im Kern der alte Troma-Mythos: Winston Gooze (Peter Dinklage), ein harmloser Hausmeister mit gutem Herz und schlechter Lebenssituation, landet nach einem unglücklichen Chemieunfall in einem Bottich voller toxischer Suppe – und mutiert zum entstellten, aber moralisch aufgeladenen Rächer des kleinen Mannes. So weit, so toxisch. Das Problem ist nur: Sein Film ist so sorgfältig geschneidert, dass kaum noch etwas ausfranst. Wo das Original lärmte, stank und beleidigte, lächelt das Remake höflich, bittet um Aufmerksamkeit – und entschuldigt sich fast für jeden Schockmoment. Was in den 80ern eine gallige Satire auf Reagan-Ära-Kapitalismus, Körperkult und Mutantenkino war, soll nun, vier Jahrzehnte später, als politisch korrekter Reboot durchgehen. Doch schon in den ersten Minuten spürt man: Dieser Film will zwar böse sein, traut sich aber nicht. Während das Original von 1984 mit dreckiger Wut, anarchischem Humor und einer gesunden Portion Geschmacklosigkeit um sich schlug, wirkt die Neuauflage eher wie ein gut gebügelter Cosplay-Versuch: zu sauber, zu geordnet, zu sehr darauf bedacht, niemandem weh zu tun.
Lloyd Kaufman, das ewige Enfant terrible des Independent-Kinos, war nie zimperlich, wenn es um Geschmack, Grenzen oder filmische Tabus ging. Seine Filme waren laut, billig, schmutzig – aber ehrlich. Sie waren, auf ihre abartige Weise, frei. Diese Freiheit spürt man im neuen Toxic Avenger kaum noch. Der Film will gefallen, will verstanden, ja fast gemocht werden – und das ist für eine Figur, die einst mit einem Wischmopp durch die Eingeweide der amerikanischen Gesellschaft pflügte, fast schon tragisch. Das Drehbuch pendelt zwischen Comic-Groteske, Sozialkomödie und Superheldenparodie – aber ohne echten Fokus. Anstatt daraus einen bizarren Cocktail zu mixen, zerfällt der Film in Episoden, lose miteinander verbunden durch Toxies grüne Spur, aber nie zu einem wirklich stimmigen Ganzen verschmolzen. Immer wieder blitzen Szenen auf, die zeigen, was „The Toxic Avenger“ hätte sein können: anarchisch, wütend, grotesk, herrlich daneben. Doch dann greift wieder der innere Zensor ein, der die Kamera lieber kurz wegdrehen lässt, bevor es wirklich eklig, derb oder provokant wird. Das Resultat ist ein Film, der gerne wild wäre, aber am Ende doch brav in der Ecke sitzt und sich für seine eigenen Witze entschuldigt.
Giftmüll in Hochglanz
Dabei hätte das Remake durchaus das Zeug zum rauschhaften Spektakel gehabt. Die Splattereffekte – wenn sie denn einmal auftreten – sind handwerklich auf hohem Niveau: Blutfontänen, platzende Köpfe, abgerissene Gliedmaßen – es wird ordentlich geschmatzt und gejaucht. Es spritzt, spratzt und glibbert in satten Farben, ganz so, wie es sich für eine Troma-Hommage gehört. Nur leider viel zu selten. Ich hätte mir gewünscht, dass Toxie mal richtig derbe aufdreht, dass er mit dem Mob moppt, dass die Gedärme tanzen! Stattdessen bleiben seine Einlagen kurz und fast schon schüchtern – als wolle der Film selbst schnell wieder zum sicheren Terrain zurückkehren. Trash mit Sicherheitsgurt – das beschreibt es wohl am besten. Man hat fast das Gefühl, der Film halte sich selbst an der Leine. Wo das Original hemmungslos eskalierte, scheint hier ein Rating-Komitee im Hintergrund zu flüstern: „Bitte keine Gedärme nach der dritten Minute.“
Visuell präsentiert sich „The Toxic Avenger“ als schillerndes, bewusst überbelichtetes Kunstprodukt. Alles glänzt, alles wirkt teuer – fast zu teuer. Wo Troma einst mit Gaffer-Tape, Dreck und Verzweiflung arbeitete, herrscht hier die Ordnung der modernen Studioproduktion. Regisseur Macon Blair hat ein gutes Auge, keine Frage. Seine Inszenierung ist sauber, manchmal sogar elegant – aber gerade das ist das Problem. Wo das Original noch roch, schmatzte und klebte, wirkt das Remake glatt und kalkuliert. Trash braucht Schmutz, und dieser Film hat gerade mal Staub auf der Linse. Der Score? Nun ja – nennen wir ihn „bemüht auffällig“. Synthesizer treffen auf Gitarrenriffs, die irgendwie gleichzeitig an 80er-Nostalgie und Spotify-Playlist erinnern. Leider kippt das Ganze schnell ins Nervige. Der Soundtrack will viel, erreicht aber wenig.
Peter Dinklage als Winston Gooze ist – und das muss man ihm lassen – eine echte Bank. Er bringt eine charmante Mischung aus Tragik, Humor und lakonischem Heldentum mit. Doch sobald Toxie die Bühne betritt, übernimmt Luisa Guerreiro den Part – und der Bruch zwischen innerem Drama und äußerer Groteske bleibt spürbar. Man wünscht sich, der Film hätte Dinklage auch als Monster beibehalten – gerade diese Diskrepanz zwischen Größe und Kraft hätte eine bizarre, poetische Dimension eröffnen können. Kevin Bacon wiederum scheint sichtlich Spaß an seiner Rolle als überzeichneter Firmenboss zu haben – eine Figur, irgendwo zwischen Lex Luthor und Dr. Evil, in Armani und Selbstgefälligkeit gebadet. Er spielt seinen Bösewicht mit so viel Schleim und Selbstironie, dass man ihm eigentlich nur applaudieren kann. Elijah Wood hingegen liefert die wohl ungewöhnlichste Performance des Films: halb Ratte, halb Rockstar, irgendwo zwischen Gollum auf Speed und Mutant aus Gotham City. Man weiß nie genau, was er da eigentlich tut – aber es ist auf jeden Fall sehenswert.
Fazit
Macon Blairs „The Toxic Avenger“ ist ein Film, der mit angezogener Handbremse in die Anarchie steuert – und sich dabei wundert, warum es nicht kracht. Handwerklich solide, visuell kompetent, gelegentlich sogar charmant. Aber es ist zu brav, zu sauber, zu sehr Produkt. Er will Trash sein, ohne schmutzig zu werden. Satire, ohne jemanden zu verletzen. Splatter, ohne Blut auf dem Teppich. Er will den Spirit des alten Troma-Kults heraufbeschwören, doch stattdessen bekommt man eine pseudo-trashige Hochglanzproduktion, die so wirkt, als hätte sie Angst vor sich selbst. Die Splattereffekte sind gut, aber rar. Der Humor ist vorhanden, aber gebändigt. Die politische Unkorrektheit – einst das Herz der Vorlage – wurde in der modernen Empfindsamkeit ertränkt. Ein bisschen mehr Mut, ein bisschen mehr Wahnsinn, ein bisschen mehr Troma. Peter Dinklage ist cool, Kevin Bacon exzentrisch, Elijah Wood herrlich seltsam – doch das reicht nicht, um dem Film die Seele einzublasen, die Lloyd Kaufmans Original einst zum Kult machte. So bleibt am Ende ein solides, aber zahnloses Remake. Kein Totalausfall, aber auch kein wilder Ritt durch toxische Abgründe.