Review

Stumm und doch so laut...


Selbstjustizreisser sind keine Seltenheit mehr, hatten ihren Anfang mit dem guten alten Charlie in "Ein Mann sieht rot"; der zum Skandal arrivierte. Damals verpönt, heute inflationäres Filmthema, das in so manchen Kinofilmen variiert. Auch in John Woo's "Silent Night" wird die düstere Rachethematik in Actiongewand gepackt und macht dabei eine gute Figurine. Und nach 20 Jahren Hollywoodabstinenz packt Herr Woo endlich wieder an und versucht, an seine vergangene Hits anzuknüpfen. Leider zahlenmässig nur mit geringen Erfolg. Bei 30 Millionen Budget weltweit nur knapp über 10 Millionen Einnahmen zu verbuchen, spricht nicht gerade für den Meister aus dem Reich der Mitte. Zu Unrecht, was bei Betrachtung des Actionkrachers resultiert!

Nach einer Schiesserei zwischen zwei lateinamerikanischen Drogengangs kommt der 7jährige Sohn von Brian Godlock bei einem Querschläger ums Leben. Bei der Verfolgung der Banden wird er schliesslich selbst schwer verletzt. Brian überlebt, wird aber nie mehr sprechen können. Als schliesslich die Ehe der Godlocks bröckelt und zerfällt, weil Brian zunehmend in sich vertieft, trinkt und immens Rachegelüste an den Mördern seines Sohnes entwickelt, schmiedet er den unabweichlichen Plan, die gesamte Drogenbande zu abservieren. Und das geschieht im Alleingang. Die nächtlichen Strassen der Stadt färben sich blutrot.

John Woo und Drehbuchautor Robert Archer Lynn bedienen sich einem recht ungewöhnlichem Stilmittel: Es wird hier kein Wort gesprochen, was das Vergnügen keinesfalls schmälert und bestens funktioniert. Die einzigen Dialoge haben hier ausschliesslich Radio, Fernsehprogramm und Funk. Nach eher ruhigem und leicht dramatisch angesiedeltem Beginn, wird die Vorbereitung und der Aufbau des Racheaktes chronologisch geschildert, aufgezeigt. Zwischen stichpunktartig und dezent emotional gedeuteten Phasen eines hinterlassenen familiären Scherbenhaufens, wird schubartig Blutrache geübt. John Woo erfindet das Faustrecht zwar nicht neu, vermittelt aber Vergeltungsansicht nach Werteverlust; verdeutlicht somit eine Art Rechtfertigungsanschauung ohne jegliche Kritik. Damals stiess diese Verheerlichung von Gewalt sauer bei Moralisten und Zensur auf, heute läuft sowas nur noch nebenher, da sich Sehgewohnheiten angeblich geändert haben?! Auch die Moralvorstellungen und Grenzen der Menschen?

John Woo verzichtet gänzlich auf den Schongang und setzt beim eigentlichen Akt auf brachiale, schnörkellose Actionkost; fährt dabei schwere Geschütze auf. Es wird gefightet, geballert und abgefackelt. Alles, was das Waffenarsenal hergibt, wird aufgebraucht bis zum bitteren Ende. Hauptdarsteller Joel Kinnaman als unaufhaltsamer Racheaktivist spielt überzeugend auch ohne Dialoge, verleiht seiner Figur den nötigen Faktor. Auch wenn die Chose überzogen und übertrieben daherkommt, bleibt die Hauptfigur nicht unverletzbar und ist nicht frei von Makel. Grund genug, "Silent Night" eine Chance zu geben. John Woo setzt hier seinen Deckel drauf, wenn der nächtliche Grossstadtdschungel durcheinandergewirbelt wird, sich die Strassen rot färben und beinharte Stunts vom Stapel gelassen werden. Seine markanten und grundlegend stilbildenden Todesballettszenen in Zeitraffer werden hier leider nur limitiert gestreut und muss der haltungserwartende Zuschauer mit der Lupe suchen.

Nichtsdestotrotz wird der Plot von kühlem Sound untermalt, der der dreckig, skrupellosen Atmosphäre des Filmes geschuldet ist und keinerlei Missverständnisse ob der harten Thematik aufkommen lässt. Denn Rache ist ein Gericht, das am besten eiskalt serviert wird, scheissegal wie heiss das Feuer um einen brennt, oder Menschen in der Brunst schmoren. Auch wenn Fragen aufkommen wie: Wieso sind Cops inmitten von akuten Bandenkriegen alleine ohne Verstärkung auf weiter Flur? Vielleicht wäre dann die Geschichte nicht aufgegangen, wer weiss! Aber noch kein Grund, diesen Actionbraten zu verschmähen.

Kein Weihnachtsfilm der besinnlichen Art, sondern schnörkellose Action-Rachekost mit viel Blut und ohne Worte. Kinnaman als Zünglein an der Waage zündet auf Hochtouren wie ein Berserker. Ein Film, bei dem es nicht vieler Worte gebraucht. Augen auf und durch!


Ist die FSK:18 Freigabe gerechtfertigt? Schon allein der Selbstjustizthematik wegen, nicht jugendfreie Kost. Die harten Bilder dazu sprechen noch ihre eigene Sprache! Definitiv passende Freigabe!

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