Dev Patels furioses Racheepos zwischen Mythos und Moderne
„Monkey Man“ ist ein waschechtes Passion Project, initiiert und entwickelt von Dev Patel höchstpersönlich, lange bevor ein Studio eine Vorstellung davon hatte, was dieser Film überhaupt sein will. Ein düster-brutales Rachemärchen mit spirituellem Unterton, politischer Sprengkraft und einem indischen Actionhelden, der sich eher wie ein moderner mythologischer Archetyp anfühlt? Schwer zu vermarkten. Noch schwerer zu kategorisieren. Zu eigenwillig. Zu sperrig. Zu schwer in die globalen Algorithmen zu gießen. Netflix konnte wenig mit dem ungeschliffenen, wütenden Rohdiamanten anfangen, und ließ das Projekt liegen. Es versank beinahe in der digitalen Warteschleife – bis Jordan Peele den Film sah. Peele, mittlerweile eine Art Kurator für eigenwillige Genreperlen, erkannte das Potenzial und kam als Executive Producer an Bord. Er überzeugte Universal, die einen exklusiven Deal mit Monkeypaw Productions haben, die Rechte zu erwerben und dem Film eine richtige Kinoauswertung zu spendieren.
Auf den ersten Blick bietet „Monkey Man“ eine klassische Rachegeschichte — und zwar eine, die so archaisch ist, dass Homer vermutlich zustimmend genickt hätte. Ein Mann wurde gebrochen, seines Lebens und seiner Familie beraubt, und kämpft sich in einem urbanen Dschungel zurück an die Oberfläche. Ein uraltes Motiv, aber Patel und sein Team nutzen diese Struktur nicht als Krücke, sondern als Fundament. Die Geschichte ist gleichzeitig grundlegend einfach und emotional wuchtig; sie kanalisiert Wut, Verlust, Identitätsfragen und politische Unterdrückung in ein erzählerisches Kraftfeld. Patels' Figur ist ein Mann der unteren Gesellschaftsschichten, zermalmt vom Kastensystem, von politischer Korruption, von Strukturen, die seit Jahrhunderten nur eines tun: andere brechen.
Patel bettet seinen persönlichen Vendetta-Trip in ein breites, mutiges politisches Geflecht ein. Der Film beleuchtet religiösen Nationalismus, Polizeigewalt, soziale Ungleichheit und die systematische Ausbeutung der Schwächsten. Und dennoch verkommt er nie zum moralischen Pamphlet. Hier wird nichts predigtartig verkündet. Stattdessen sickert die Kritik atmosphärisch in die Handlung ein – subtil, aber unübersehbar. Die Parallele zwischen mythologischer Symbolik (Hanuman, der Affengott, spielt als Motiv eine Rolle) und zeitgenössischer Gewalt gibt dem Film seine einzigartige spirituell-politische Schärfe. Die Rache wird zur Katharsis – nicht nur für den Protagonisten, sondern für all jene, die im System nicht gehört werden.
Die Straßen der fiktiven indischen Stadt wirken lebendig, dicht, chaotisch – ein Moloch, der jeden Moment zu zerbersten scheint. Die Welt ist schmutzig, laut, grell, bedrückend — und dennoch durchzogen von einer mystischen Grundspannung. Slums, Polizeistationen, Backstreet-Fightclubs: Alles wirkt real, aber zugleich wie durch einen surrealen Filter betrachtet. Tempel, Clubs, Hinterhöfe und korrupt glitzernde Hochhausfassaden verschmelzen zu einem modernen Mahabharata, in dem Wut und Spiritualität aufeinanderprallen. Die Atmosphäre ist roh, ungeschönt, politisch aufgeladen. Der Film spielt mit Licht, Schatten, Neonfarben, religiöser Symbolik und urbaner Tristesse. Und das ohne sich in reiner Stilpose zu verlieren.
Die Action in „Monkey Man“ ist ein Brett. Ein massives, handgemachtes, schmerzhaft inszeniertes Brett. Patel kämpft mit der Körperlichkeit eines Mannes, der nichts mehr zu verlieren hat, aber alles zu beweisen. Wenn man sagt, Patel sei „der indische John Wick“, klingt das zu einfach – und doch ist es ein Kompliment, das der Film verdient. Genau wie Stahelski liebt Patel physisches, greifbares Actionkino. Doch statt stilisierter Ballett-Perfektion setzt „Monkey Man“ auf kinetische Wucht, die eher an „The Raid“ oder „The Night Comes for Us“ erinnert: brutal, dreckig, hart, körperlich schmerzhaft. Die Kamera hält nicht distanziert drauf, sondern wirft sich mitten in die Bewegung, ohne in digitale Hyperpräzision abzugleiten. Patel zeigt sich ohne die glatte Eleganz des amerikanischen Profikillers. Seine Bewegungen sind kantiger, verzweifelter, ungeordneter. Sie tragen die Spuren eines Mannes, der nicht trainiert wurde, sondern überlebt hat. Patels' Performance ist zerrissen, verletzlich, wütend, verbissen, voller innerer Narben. Ein Mann, der nicht cool ist, sondern kaputt — und genau das macht ihn so glaubwürdig. Er zeigt, dass er nicht nur als Schauspieler und Regisseur Talent hat, sondern als physischer Performer auf einem Niveau spielt, das man bisher nicht mit ihm in Verbindung brachte.
Fazit
„Monkey Man“ ist kein Film, der gefallen will. Er will etwas sagen. Er will brennen. Er will verletzen, befreien, wachrütteln. Er ist ein wütender, poetischer, kompromissloser Rachefilm mit politischem Unterbau. Dev Patel beweist mit diesem Debüt, dass er nicht nur ein hervorragender Schauspieler ist, sondern auch ein talentierter Filmemacher mit Vision und Mut. Die Action ist spektakulär, hart, intensiv. Die Story klassisch, aber klug modernisiert. Die Atmosphäre dicht. Die Inszenierung mutig. Der Score hypnotisch. Ein Brett von einem Debüt.