Eine Zwölfjährige kidnappen, eine Nacht auf sie aufpassen, vom reichen Vater fünfzig Millionen Dollar kassieren. Klingt nicht unmöglich und für die ausführende Truppe läuft auch zuerst alles nach Plan. In dem Haus, in welchem sich die Entführer verstecken, hängen sie allerdings bald fest und das ist nicht einmal ihr größtes Problem. Meines war es auch nicht, dass ich vor der Sichtung von „Abigail“ schon um den Twist wusste, der von der Werbeabteilung vorab herausposaunt wurde. Denn auch wenn sich der von Tyler Gillett und Matt Bettinelli-Olpin inszenierte Film bis zu dessen Offenbarung einiges an Zeit lässt, so beginnt er immerhin recht unterhaltsam mit der Entführung selbst und der Einführung der Figuren. Bis zur „Überraschung“ braucht er dann allerdings eine Weile und auch danach bietet er nicht durchgehend das nötige Tempo.
Es geht in Wellen vorwärts und pendelt zwischen der Jagd durchs Haus und ruhigeren Momenten, in denen die wenig spannenden Figuren weiter beleuchtet werden. Dazu schwankt die titelgebende Dame zwischen Mädchen und Monster hin und her, was auf die Dauer immer weniger gut funktioniert. Auch das Herumballerinern nutzt sich mit fortschreitender Spielzeit, die gerne weniger üppig hätte ausfallen dürfen, als Effekt spürbar ab. Mitfiebern geht eher so semi, dazu sind die Charaktere zu sehr auf ihre Funktionalität getrimmt, wobei Kevin Durand als tumber Elon Hulk immerhin ab und an mal für einen Schmunzler gut ist. Giancarlo Esposito wird verschenkt, der Rest ist solide, obwohl ich mich immer noch frage, ob aus Melissa Barrera jemals eine charismatische Darstellerin wird.
Neben dem unrunden Tempo und der Gewichtung von dem, was hier erzählt werden will, krankt das Skript an den üblichen Zutaten, die im Genre immer wieder mal nerven. Lieber herumstehen und bedröppelt schauen wenn jemand in Not gerät, anstatt gemeinsam vorzugehen. Mal kurz Misstrauen in der Gruppe streuen, spielt dann aber auch gleich keine Rolle mehr. Das Einmaleins eben. Tonal wildert der Film umher, in keinem der von ihm angerissenen Genres von Komödie bis Horror ist er ausreichend konsequent. Bisschen von allem, nichts richtig, es holpert.
Dennoch gibt es auch einige ordentlich aufgebaute Sequenzen, nur schafft es „Abigail“ eben nicht, durchgehend bei der Stange zu halten. Die ab und an splatterigen Einlagen sind nett und wenn Tyler Bates zwischen all dem Tschaikowski mal zum Zug kommt, liefert er auch eine passende musikalische Untermalung.
„Where ist the fun in that?“
Wenn der Twist gedreht ist, mag man sich auf eine temporeiche Jagd freuen, doch leider bremst sich „Abigail“ immer wieder aus und erreicht nie das Tempo, welches dem Werk gut getan hätte. Da wäre eine klassische Erzählung mit der gewohnten Dezimierung effektiver gewesen und hätte in dieser Villa auch entsprechend umgesetzt werden können. Hätte mir mehr Spaß gemacht, anstatt dass immer wieder Nebenbaustellen aufgemacht werden, die am Ende eh nicht interessieren. Bleibt eine gute Grundidee, die Ausführung lädt sich aber zu viel Ballast auf.