Jetzt wird’s persönlich!
Während andere Kinoflops des Jahres wie „Borderlands“ oder „Madame Web“ zwar auch Zeitverschwendung, Fehlschläge auf ihrem Gebiet und grösstenteils echte Ärgernisse waren, hatte ich dort immerhin keine emotionalen Aktien im Spiel. Tut kurz weh wie bei 'nem Pflaster, ist dann aber ab, vorbei, nahezu aus dem Sinn. Das ist bei „The Crow“ etwas anders. Das hier hinterlässt Narben… Mit dem Original aus den 90ern bin ich aufgewachsen, ich liebe es, genieße dessen einzigartige Stimmung und natürlich Brandon Lee immer wieder gerne. Ein Klassiker seines Jahrzehnts, kurz vor Halloween und allgemein der Gothic-Bewegung. Gerade jetzt im düsteren Herbst. Anders als der geniale Comic - aber nicht minder empfehlenswert. Kaum ein Film hat seine Epoche besser und melancholischer komprimiert. Dazu der tragische Schatten Lees. Einfach famos. Daher hat es dieses Remake zugegeben von Anfang an schwer. Sicher nicht nur bei mir. Von seinen Produktionsschwierigkeiten ganz abgesehen. Doch wie gesagt - der zugrundeliegende Comic bietet genug für mehrere Interpretationen und Variationen, warum dann nicht neu aufbereiten für eine aktuelle Generation. So kann man es sehen. Die Hürde war wie gesagt nur eben unermesslich hoch. Vergleichen wird man immer. Und bei sowas tut es doppelt weh, fühlt es sich doppelt falsch an, wenn’s verhauen wird. Es ist einfach unnötig. Und siehe da… „The Crow“ (2024) ist weitestgehend ein Armutszeugnis und gefällt mir nicht. Ich finde sogar, der hätte den Namen gar nicht tragen dürfen. Vielleicht hat er ihn sogar erst später bekommen und war ursprünglich ein anderer Titel. Ein gänzlich garstiger Fehlgriff. Ein leicht übernatürlicher John Wick in pathetisch-grimmig. Ein Poser. Ein Möchtegern. Eine der peinlichsten Liebesgeschichten seit langem - und das ist hier nunmal der Kern der Sache… Aber eins nach dem anderen. Handlung: im Knast bzw. einer Anstalt lernen sich Shelly und Eric kennen, sie fliehen zusammen, haben eine tolle Zeit - bis sie kurz vor Halloween von einer fiesen Bande von gut organisierten Gangstern angegriffen werden und sie um's Leben kommt. Oder besser gesagt beide. Doch eine mysteriöse Krähe reanimiert den trauernden und volltätowierten Herrn und gibt ihm übernatürliche Kräfte. Mit nur einem Ziel: Rache!
Rache ist ein Gericht das am besten nicht geremaked wird
Vielleicht ist der neue „The Crow“ nicht ganz so schlimm wie erwartet. Oder er hätte zumindest noch mieser sein können. Gerade wenn man manchen extremen Verrissen und warnenden Vorshitbeeren glaubt. Es wird Filme dieses Jahr geben, die ich noch schlechter fand. Doch das ist auch schon fast das einzig halbwegs Nette, was ich über ihn sagen kann. Von einem guten Film, einem guten Remake, einer guten Comicverfilmung kann keine Rede sein. Nichtmal ansatzweise. Style, Intro und ein paar Songs - in Ordnung bis ganz nett. Splatteraction gegen Ende - für sich genommen wirklich solide. Verpufft jedoch wirkungslos und wirkt deplatziert, losgelöst, alleinstehend. Und dann hört’s spätestens auch schon auf. Der Rest ist in Gullinähe. Hier meine komprimierte Liste, was der neue „The Crow“ alles fundamental falsch macht und damit null Schnitte gegen Comic, erste Verfilmung oder sogar die meisten von dessen Fortsetzungen (!) hat:
— edgelordiges Feeling
— null Flair, Alleinstellungsmerkmale, Namen oder Charisma für die Bösewichte
— austauschbare Stadt und Atmosphäre
— wenig Chemie in der Lovestory
— etwas toxische Liebesgeschichte
— deutlich zu langer Aufbau der Liebesgeschichte
— wirkt eher gewollt als gekonnt
— hat wenig bis gar keinen eigenen Charakter
— leidet unter der übermächtigen Aura des Originals
— Skarsgard spielt sein übliches Ding runter
— es fehlen Schmerzen, es fehlt Leiden, es fehlt eine Körperlichkeit
— die zentrale „Tötungsszene“ kannste komplett vergessen
— wirkt oft wie ein Musikvideo
— man spürt das Produktionskuddelmuddel
— vorschnelle Sequelgedanken
— wirkt tragisch seelenlos; wie eine Auftragsarbeit
— tritt lange Zeit auf der Stelle
— hat keine interessanten Subplots (wie das kleine Mädchen im Original)
— Laufzeit insgesamt deutlich zu lang
— dumme Dialoge wie Kalendersprüche aus der Bravo
— der energische dritte Akt kommt zu spät und lässt einen kalt
— einfach nicht cool, authentisch und natürlich genug
Gothic-Revenge-Splatter-Action-Soapopera
Fazit: John (Revenge For The) Chick… nach diesem seelenlosen Remake kräht zum Glück kein Hahn!