„Zerstört alles! Tod allen Hippies!“
Der US-Amerikaner Dennis Hopper („Easy Rider“), vornehmlich Schauspieler, hatte nach „The Last Movie“ fast zehn Jahre lang nicht mehr selbst Regie geführt. Doch mit dem im Jahre 1980 veröffentlichten „Out Of The Blue“ kam er zurück – mit einem kanadisch produzierten Sozialdrama. Mit einem Punkfilm.
„Disco stinkt!“
Die 15-jährige Cindy (Linda Manz, „The Wanderers“), die sich selbst nur „Cebe“ nennt, hat es alles andere als leicht: Ihr Vater Don (Dennis Hopper) ist ein Alkoholiker, der im Knast sitzt, weil er betrunken seinen Truck in einen Schulbus lenkte – mit verheerenden Folgen. Ihre Mutter (Sharon Farrell, „Die Wiege des Bösen“) ist heroinabhängig, vertreibt sich mit wechselnden Liebhabern die Zeit und erfüllt ihre Vorbildfunktion für das pubertierende Mädchen nur unzureichend. Ihre Verletztheit und Verletzlichkeit verbirgt sie nach außen hin, indem sie sich abgeklärt und unnahbar gibt. Dazu passt die Punkszene, die sich für sich entdeckt, aus der sie Kraft schöpft und die sich mit ihrer Rebellion bestens vereinbaren lässt. Als ihr Vater aus dem Gefängnis entlassen wird, versucht man sich noch einmal an einem mehr oder weniger normalen Familienleben, doch die Zeichen stehen schlecht…
„Elvis war einer der ersten Punks!“
Hopper eröffnet seinen Film mit dem furchtbaren Verkehrsunfall, ohne ihn im Detail zu zeigen. Neil Youngs „Hey Hey, My My (Into the Black)“ fungiert als Titelstück, dem auch der Name des Films entlehnt wurde. Punkerin und Elvis-Fan Cebe hadert mit dem Abtreten von Punkgrößen sowie mit Elvis Presleys Tod und fährt per Anhalter ihren Vater im Knast besuchen – erstmals nach fünf Jahren. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt ist man von Cebe aufgrund ihrer sich über einen längeren Zeitpunkt erstreckenden Charakterisierung und der schauspielerischen Leistung fasziniert und folgt ihr gern, wenn sie in die Stadt fährt und sich alles anschaut, ein Punk-Konzert besucht, die Band kennenlernt (es handelt sich um die damals reale Band „Pointed Sticks“) und mitten während der Zugabe ans Schlagzeug darf. Dass die sich selbstbewusst gegen sexuelle Avancen wehrende Cebe bei Weitem nicht so cool ist, wie sie sich gibt, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass sie noch am Daumen lutscht.
„Es ist mein Leben und damit kann ich machen, was ich will!“
Erst nach 36 Minuten wird plötzlich und unvermittelt der Verkehrsunfall detailliert als Flashback gezeigt. Als ihr Vater aus dem Knast kommt, wird zu Hause gefeiert; und als seine Vergangenheit ihn in Person des Vaters eines beim Unfall getöteten Kinds heimsucht, wird dieser kurzerhand vertrieben. Er nimmt einen Job auf der Müllkippe an und will seinen Truck wieder klarmachen, um zusammen mit Cebe eine Tour zu fahren. Doch auch, wenn er seine Strafe abgesessen hat, ist er noch lange nicht rehabilitiert, denn seinen Job verliert er wegen des Unfalls rasch wieder – macht mit dem Bagger aber noch die Holzhütte des Chefs platt. Der aus dem Versagen des Vaters resultierende Unfall ist ein Familientrauma, das sich über alle legt und den Vater wieder in den Alkoholismus treibt. Dies zumindest scheint Hopper zum Ausdruck bringen zu wollen, was ihm eindringlich gelingt, wenngleich ihm auch keine Lösungsmöglichkeiten einfallen. Die Drogenabhängigkeit der Mutter wird eine ganze Weile nicht mehr aufgegriffen und scheint das sekundäre Problem darzustellen. Immer mal wieder eingestreute kurze Rückblenden zeigen Cebe, wie sie nach Umfall im Fahrerhaus des demolierten Trucks saß und Elvis hörte.
Obwohl „Out Of The Blue” zeigt, wie Cebe durch Punk ein Ventil findet und ihr Selbstbewusstsein stärkt, handelt es sich um keinen klassischen Coming-of-Age-Film. Das Wrack, in dem Cebe Zuflucht fand und einen Ort für sich hatte, steht sinnbildlich für den Zustand ihrer Seele. Das Verhältnis zu ihren Eltern hat tiefe Risse erlitten, die Gefühle, die sie für sie empfindet, sind widersprüchlich – was zusätzlich an ihr nagt und Kraft kostet. Die Handlung entscheidet sich irgendwann für eine konsequente Negativspirale, wird noch richtig eklig und endet mit einer fatalistischen Eskalation als letzte Instanz der Verzweiflung und Rache zugleich. Doch statt melodramatisch auf die Tränendrüse zu drücken, bleibt Hopper seinem authentischen, ruppigen Stil treu, verarbeitet mit dem Film vermutlich auch seine eigenen Probleme und Erfahrungen.
Und so bekommt man denn auch statt schwerer Streicher oder Elektroklänge einen coolen Rock’n’Roll-Soundtrack plus zweier Neil-Young-Folkstücke auf die Ohren und lernt eine wunderbar rebellische Göre, die sich nichts gefallen lässt, kennen – der man jedoch von Herzen einen anderen Ausgang gewünscht hätte. Starker, schmerzhafter Film!