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Auch wenn ich mich für den Gedanken oft genug geschämt habe, kam ich manchmal nicht um ihn herum bei den ganzen Problemen (und Vollspacken!) auf der Welt: „Wir sind/werden einfach zu viele!“. Und genau das ist bei Caitlin Cronenbergs Regiedebüt der global-geniale Fall bzw. Aufhänger: jedes Land der Welt verpflichtet sich 20% seiner Bevölkerung innerhalb eines Jahres zu verringern. Wie ist egal. Gerade Amerika kämpft mit dieser strengen Vorgabe enorm und es melden sich einfach nicht genug Freiwillige um „Platz zu machen“. Und nun folgen wir einer berühmten und einflussreichen Sippe und wie sie bei einem Familientreffen über ihre Zukunft und Probleme streiten, diskutieren, entscheiden…
Es liegt wirklich in der Familie…
Schon der zweite Spross von David Cronenberg, der ebenfalls im Filmbiz aufhorchen lässt. Es liegt im Blut, im Körper, im Fleisch. Stark. Kann ich nur gutheißen und muss man nicht unter Nepotismus abtun. Zumindest wenn dabei so etwas wie „Humane“ herauskommt. Mit viel Aktualität und Satire, aber noch nah genug an der Realität um zu schockieren. Horror und Humor vereint. Gemein und generell. Top besetzt, die Grundsituation trägt jedoch den Thriller eher als die Figuren. Wie eine Mischung aus „The Invitation“, „Battle Royale“, Corona-Isolation, „Inside“, „The Hunt“ und „Ready or Not“ mit weltweiten Parallelen. Natürlich denkt man an Pandemien und an die Klimaerwärmung, an Chinas 1-Kind-Politik und gerade wenn im Film die Nachrichten berichten, dass Russland schon stolz drei Monate vor dem Ultimatum seine Ziele erreicht hat, kommt man um ein teuflisches Grinsen nicht herum. „Humane“ ist auch kanadisch durch und durch. Und allein die reizende und bissige Prämisse, dass man nun überlegen muss, sein restliches Leben aufzugeben, ist in einer Welt in der viele nichtmal auf ihr Schnitzel verzichten wollen, extrem gewagt und drastisch und clever. Und das spricht und triggert natürlich alle (an): die Promis und die Egos, die Umweltaktivisten und Politiker, die Zukunftskämpfer und Nostalgiker, die Künstler und Kämpfer, die Angeber und stillen Mäuschen, die Macher und die Passiven, die Alten und die Jungen. Und zwar in all seiner Radikalität. „Humane“ bietet gesellschaftlich, menschlich, ethisch massig Sprengstoff. Und das ist toll und seine grösste Stärke. Dazu sieht er hochwertig aus und kommt mal wieder knackig unter 90 Minuten ins Ziel. Baruchel ist etwas sehr im Overacting. Dafür ist der Bösewicht „Bob“ wunderbar perfide. Und ich mag wie Caitlin ihrem Bruder schon Hommage zollt, ich sage nur Kaminbesteck. Das hier ist für die SUV-Fahrer genauso wie für die, die sich davor anketten. Jetzt könnt ihr zeigen/überlegen, wenn's wirklich drauf ankommt. Insgesamt macht ihn in meinem Buch vieles zu einem Gewinner - selbst wenn seine Bausubstanz wesentlich beeindruckender ist als seine Bewohner!
Fazit: das Szenario ist beängstigend (nah), der Humor ist extratrocken und die „Was würden du und deine Familie tun?“-Momente sind dicht. „Humane“ ist ein fies-famoser Genregedenkanstoss. Killerkammerspiel.